Meine Leseliste Q1 2023

Hier die Liste mit Büchern, die ich im ersten Quartal 2023 gelesen habe. Auch dieses Jahr ist es wieder eine recht lange Liste geworden mit Büchern aus diversen Genres. Das meiste sind Fachbücher zu Psychologie, Stadtentwicklung und Softwareentwicklung, einige Romane sind aber auch dabei.

Weil die Listen der letzten Jahre so lang geworden sind, und ich es endlich geschafft habe, wieder mehr Bücher zu lesen, gibt es diese Liste schon nach dem ersten Quartal. Wahrscheinlich hat man bei grob 15 Büchern schon genug zu tun und die Listen mit über 40 Einträge aus den letzten Jahren sind einfach etwas zu lang.

Also dann, das hier sind die Bücher:

  1. van Deursen, S. & Seemann, M. Dependency Injection: Principles, Practices, and Patterns. (Manning, 2019).

    Um Teile von Software zu entkoppeln und testbar zu machen, bietet sich das Dependency Inversion Principle an, das besonders im Rahmen der Clean Architecture genutzt wird. Dies führt zu vielen Interfaces und unabhängigen Implementierungen dieser. Wenn man das Programm startet, muss man die konkreten Typen zusammensetzen. Das kann unübersichtlich werden, wenn man es nicht systematisch macht.

    In diesem Buch führen die Autoren das Konzept von Dependency Injection (DI) noch einmal neu ein, räumen mit vermeintlichem Wissen auf und führen durch einige konkrete Fallbeispiele. Sie zeigen, wie Kopplung entsteht, und wie man sie mit DI wieder loswerden kann.

    Die Beispiele im Buch sind in C# gehalten, die Konzepte lassen sich allerdings auch auf jede andere objektorientierte Sprache übertragen. Ich finde das Buch sehr hilfreich und es hat mich auf meinem Weg zum Softwarearchitekten ein gutes Stück weitergebracht.

  2. Köhler, T. Freuds Psychoanalyse: Eine Einführung. (Psychosozial-Verlag, 2020).

    In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Freud entweder als Genie, dessen Ideen über hundert Jahre überdauert haben; oder als sehr merkwürdige Person, deren Schriften man besser heute nicht mehr ließt. Ich finde einige Konzepte der Psychoanalyse sehr hilfreich, daher wollte ich mehr über Freuds Werk und Weltanschauung lernen.

    In diesem Buch gibt der Autor eine übersichtliche Einführung in die Theorien von Freud und ordnet auch direkt deren Entwicklung über Freuds Leben ein. Revisionen oder genauere Ausarbeitung von Ideen in späteren Aufsätzen bündelt er zusammen, sodass man viel einfacher ein kohärentes Bild bekommen kann, als wenn man direkt die Originalschriften versucht zu lesen.

    Einige der Theorien und Ideen kommen mir eher absurd vor; die Interaktion von Unbewusstem, Vorbewusstem und dem inneren Zensor zur Entstehung von Träumen hingegen erscheint plausibel und interessant. Auch scheinen Konzepte wie Verdrängung von Erinnerungen und die inneren Widerstände sich an gewisse Dinge zu erinnern plausibel, das habe ich schon über Leute mit schockierenden Erlebnissen gehört. Das Problem mit der Psychoanalyse ist, dass sie nicht direkt quantitativ zugänglich ist und auch nicht so direkt mit der Medizin verknüpft ist, wie die Kognitionswissenschaft. Das macht es schwerer die Theorie wissenschaftlich zu falsifizieren, und wird immer wieder als Kritikpunkt genannt. Von daher konnte ich ein paar nette Theorien und Gedanken mitnehmen, wie relevant sie sind kann ich aber schwer einschätzen.

  3. Verkade, T. & te Brömmelstroet, M. Movement: How to Take Back Our Streets and Transform Our Lives. (Scribe UK, 2022).

    Die Journalistin Thalia Verkade aus Rotterdam wollte eine Artikelserie darüber schreiben, wie man mit »Fahrradautobahnen« und Duschen am Arbeitsplatz die Leute aufs Fahrrad bekommen und somit die Fahrbahnen von Autostau entlasten könnte. Dazu traf sich mit Marco te Brömmelstroet, dem »Fahrradprofessor« aus Amsterdam. Sie beschreibt wie er sie nicht verstand und irgendwelche anderen Themen ansprach. In den Tagen danach dachte sie darüber nach, und betrachtete Mobilität breiter, als sie es vorher getan hatte.

    Sie beschreibt ihre eigene Entwicklung, begann immer mehr zu lesen, immer mehr zu hinterfragen. Sie entdeckt die Autofokussiertheit von Regelwerken, die sie bisher als Expertenwissen nicht weiter hinterfragt hatte. Witzigerweise werden auch in den Niederlanden die Regelwerke von Privatfirmen herausgegeben und verkauft, die Verwaltungen planen anhand dieser, die Öffentlichkeit kann sie aber nicht einsehen. Das ist genauso wie in Deutschland mit ERA und RASt. Sie referenziert auch das Buch von Mahron, das ich letztes Jahr gelesen hatte.

    Anfangs war ihr Ziel die Reisezeit zu minimieren, durch den Austausch mit te Brömmelstroet fand sie das immer weniger erstrebenswert. Immer schnellere Transportmittel reduzieren nicht die Zeit, die wir bereit sind, in ihnen zu verbringen. Wir legen einfach nur weitere Strecken zurück. Züge und autonome Autos, in denen man nebenbei etwas anderes machen kann, laden sogar dazu ein noch mehr Zeit zu verbringen. Das merke ich selbst, in der Bahn nach Köln kann ich lesen, somit sind 40 km zur Arbeit kein Problem.

    Sie hat Diskussionen mit Tiefbauern, sie entlarvt wie festgefahren diese in ihren Regelwerken sind und gar nicht mehr reflektieren, welches Umfeld sie eigentlich bauen. Oder sie wissen es, dürfen aber gar nicht anders handeln. In den Niederlanden gehen noch diverse ähnliche Konflikte vor sich, auch wenn es aus Deutschland heraus gar nicht so aussehen mag. Auch dort wird hauptsächlich auf Geschwindigkeit und Durchsatz geplant, nur dass das Fahrrad mitgedacht wird. Aufenthaltsqualität ist häufig noch keine Priorität.

    Das Buch hat mir gut gefallen und kann neben »Autokorrektur« von Katja Diehl auch ein guter Augenöffner bezüglich Mobilität und Aufenthaltsqualität sein.

  4. Wilson, R. Sleep: No More Sleepless Nights. (2015).

    Ein ernüchternd oberflächliches Buch zum Thema Schlaf, das wohl nicht ohne Grund für nur 0,99 EUR als E-Book gibt. Letztlich steht dort nichts neues drin, nur einmal die grundlegenden Dinge wie dass man halt vor dem Zubettgehen keinen Kaffee trinken sollte, blaues Licht einen wach hält und welche Stoffe helfen und schaden. Vielleicht ist so eine grundlegende Zusammenfassung ein hilfreicher Einstieg, ich habe jedenfalls nichts neues daraus mitnehmen können.

  5. Pettifor, A. The Production of Money: How to Break the Power of Bankers. (Verso, 2017).

    Die meisten klassischen Ökonomen und Banker sprechen offenbar nicht wirklich über den Ursprung des Geldes. Die allgemeine Bevölkerung scheint davon auszugehen, dass Geld von der Zentralbank kommt. In Wirklichkeit kommt alles Geld, das die Bürger sehen, von privaten Banken und ist Buchgeld. Das Geld der Zentralbank wird nur an private Banken weitergegeben. Das bedeutet, dass die Geldschöpfung in Wirklichkeit von den privaten Banken auf Wunsch der Kunden, die Kredite beantragen, erzeugt wird.

    Den Bankenlobbyisten ist es gelungen, eine Geldpolitik zu etablieren, die auf den klassischen Wirtschaftstheorien und nicht auf den Keynesianischen beruht. Der Geldschöpfungsprozess wird ignoriert und dereguliert, wodurch Bankenkrisen wie die von 2007 möglich wurden.

    Der Autorin scheint es darum zu gehen, die Öffentlichkeit über den Ursprung des Geldes aufzuklären und für mehr Kontrolle über die Geldschöpfung zu werben. Bei der Lektüre des Buches hatte ich den Eindruck, dass es noch viel mehr Text gibt, der mir aber nicht wirklich neue Erkenntnisse gebracht hat. Entweder habe ich es aufgrund mangelnder Wirtschaftskenntnisse nicht verstanden, oder es war ziemlich repetitiv.

  6. Larsen, R. Mastering SVG Web Animations, Visualizations and Vector Graphics With HTML, CSS and JavaScript. (2018).

    Interaktive Grafiken finde ich großartig, daher wollte ich selbst auch welche erzeugen. Ich habe schon ein Buch über JavaScript gelesen und dies ist ein weiteres über SVG. Allerdings habe ich bisher doch noch keine spannende Anwendung dafür gefunden. Außerdem programmiere ich den ganzen Tag auf der Arbeit, sodass ich am Ende meine kreative Energie doch eher für Bleistiftzeichnungen oder Blogeinträge nutzen. Daher habe ich irgendwann aufgehört zu lesen und es nicht mehr verfolgt. Das Buch wirkt aber vernünftig.

  7. Duckworth, A. Grit: The Power of Passion and Perseverance. (2019).

    Die Autorin schreibt über »Biss«, die Kombination aus Leidenschaft und Ausdauer. Die räumt mit dem Konzept Talent auf, das viele Leute als wichtigste Voraussetzung für Meisterleistungen sehen. Talent alleine sorgt mit dafür, dass man mit gleichem Einsatz schneller seine Fähigkeiten weiterentwickeln kann.

    Besonders interessant war die Untersuchung zu bewussten Üben. Die reine investierte Zeit sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, wie weit man kommt. Man muss sich bewusst Defizite klar machen und diese im Training angehen. Nur so kann man besser werden.

  8. Marx, P. Road to Nowhere: What Silicon Valley Gets Wrong about the Future of Transportation. (Verso, 2022).

    Im Buch wird beschrieben, wie die Konzerninteressen das Automobil in den Mittelpunkt der US-Städte gestellt haben. Dann geht es in den weiteren Kapiteln darum, wie heutige Konzerne weiterhin ihre Vorstellungen versuchen durchzusetzen und es auch weiterhin keine Lösung für die erzeugten Probleme gibt.

    Da ich in letzter Zeit viele analoge Bücher gelesen habe, war hier im ersten Kapitel fast nichts neues enthalten. Entsprechend habe ich dann für mich das Interesse verloren. Es wirkt aber durchaus lesenswert geschrieben und bietet eine leicht andere Perspektive auf die Probleme des Verkehrssektors und Stadtentwicklung.

  9. Tischer, C. Bloggen ohne Rechts-Stress: Was Sie über Urheberrecht, Abmahnungen & Co. wissen müssen. (persad UG, 2015).

    Ich hatte eigentlich schon ein gutes Gefühl für den rechtlichen Rahmen meines Blogs. Allerdings wollte ich nochmal sicherstellen, dass das alles auch so passt. Dieses Buch hat die wesentlichen Fragen bezüglich Impressumspflicht, Einbinden externer Inhalte, Zitatrecht und möglichen Abmahnungen beantworten können. Nun kann ich in aller Ruhe weiter Blogartikel schreiben.

  10. Fontane, T. Effi Briest. (1896).

    Ich war wohl im Deutschunterricht anwesend, als dieses Buch behandelt worden ist. Allerdings kann ich mich nur noch daran erinnern, wie mein Deutschlehrer erzählte wie zu der damaligen Zeit Chinesen für Sexualität gestanden hätten. Aus mangelndem Interesse hatte ich damals das Buch nicht gelesen, dies könnte den Umstand erklären. Nachdem ich bei "Zögling Törleß'" positiv überrascht war, wollte ich die Lektüre dieses Buch ebenfalls nachholen.

    In den ersten Sätzen zeichnet Fontane ein überraschend plastisches Bild eines Landhauses, einer naiv kindischen Effi und ihrer vom Leben frustrierten Mutter. Schnell wird klar, dass Effis Mutter in ihrer Ehe mit Herrn Briest unglücklich ist. Ihre alte Liebe ist Herr Instetten, der damals noch nicht reich war. Nun möchte er allerdings Effi heiraten, als Ersatz für ihre Mutter. Und die Mutter freut sich auch, so kann sie immerhin durch ihre Tochter mit ihm verheiratet sein.

    Besonders glücklich scheint Effi mit dieser Konstellation nicht zu sein. Das Leben auf dem Land gefällt ihr nicht, Instetten zeigt ihr gegenüber keine Liebe oder Zärtlichkeit. Effi wird schwanger, das Kind kommt aber nicht sonderlich aktiv vor. Sie findet nicht so recht Anschluss an die Gesellschaft, beginnt aber eine Affäre. Nachdem Instetten nach Berlin befördert wurde, ist Effi endlich in einer Großstadt. Nach sieben Jahren holt sie die Affäre ein, Instetten erschießt den Liebhaber im Duell, Effi wird ausgestoßen und auch von den Eltern verbannt.

    Im Mittelteil wirkt das Buch etwas langatmig, das Ende hingegen ist wieder spannend. Die Probleme in der Ehe waren von Anfang an gelegt, und der Mutter war es etwas bewusst. Dem Vater scheint alles egal zu sein. Die Figur des Chinesen kommt tatsächlich immer wieder vor, sie sieht tatsächlich für das exotische und sexuelle. Immer wieder taucht die Figur auf, und Effis Wahrnehmung über die Legende vom Chinesen verändert sich mit ihrer eigenen Entwicklung. In ihm spiegelt sich Effis mangelnder intime Nähe zu ihrem Ehemann, die Geschichte von Instettens Verzicht auf Effis Mutter, und ihre Untreue.

    Lustig waren auch noch Dinge, die heute ganz anders sind: Berlin und Charlottenburg waren getrennte Städte, es gab Nachtzüge und es gab mindestens zweimal täglich die Briefpost.

    Es war also durchaus interessant diese Schullektüre nachzuholen. Und wie bei »Zögling Törleß'« hätte ich sie zur Schulzeit wohl auch nicht entsprechend verstehen können, selbst wenn ich das Buch gelesen hätte.

  11. Lopp, M. The Art of Leadership: Small Things, Done Well. (O’Reilly, 2020).

    Der Autor beschreibt anhand seiner Karriere als Manager bei Netscape, Direktor bei Apple und Executive bei Slack wie er als Führungsperson gewachsen ist und lernte immer besser zu führen. In diesem Buch beschreibt er 30 kleine Dinge, die er für wichtig hält. Er hat kein Patentrezept oder magischen Trick zum Führen, sondern betont die kleinen Dinge, die man konsistent machen muss.

    Für mich mitgenommen habe ich die Wichtigkeit von wöchentlichen Einzelgesprächen mit den Leuten, die geführt werden. Man soll seine Meinung ändern lassen, wobei ich das schon zu tun glaube. Dann soll man delegieren, bis es schmerzt. Dann soll man Dinge in die Hand nehmen und agieren, meist werden die anderen sich freuen; bremsen kann man notfalls noch immer. Die unstrukturierte Arbeitszeit ist schützenswert, einige Stunden am Morgen oder der ganze Freitag sollten reserviert werden. Kommunikation muss gut überlegt sein, weil jede Person etwas anderes verstehen wird. Es muss einen Karrierepfad für Ingineur*innen geben, sodass diese nicht nur Manager*innen werden wollen, weil sie sonst keine andere Entwicklungsmöglichkeit sehen.

  12. Hari, J. Stolen Focus: Why You Can’t Pay Attention. (Bloomsbury Publishing, 2022).

    Wenn wir abgelenkt werden, so zersplittert unsere Aufmerksamkeit. Mit der Zeit wird es immer schwerer sich zu konzentrieren und einfacher abgelenkt zu werden. Wir entwickeln ein Verlangen nach immer mehr Ablenkung. Das Gegenteil ist "Flow". Da ist unsere Aufmerksamkeit bei exakt einer für uns relevanten Sache, die unsere Fähigkeiten fordert aber nicht überfordert. Wir gehen in dieser Sache auf und vergessen die Zeit. Danach haben wir etwas erreicht und fühlen uns gut.

    Das nächste ist Schlaf. Ausgeschlafen können wir deutlich aufmerksamer sein. Bei Ermüdung kommen wir in Sekundenschlaf und können fast nichts mehr. Ein Großteil der Bevölkerung bekommt zu wenig Schlaf und nimmt abends Schlaftabletten und morgens Kaffee. Das ersetzt aber nicht hinreichend Schlaf. Erwachsene werden ruhig und unaufmerksam, Kinder werden hyperaktiv und unaufmerksam.

    Es gibt dann weitere Kapitel zum Niedergang des Lesens, dem Verruf des Tagträumens und Sortieren von Gedanken. Der Autor führt in zwei Kapiteln aus mit welchen Mechanismen Konzerne wie Facebook oder Google unser Verhalten subtil ändern. Danach geht es an Lösungsmöglichkeiten, allerdings ist wenig davon auf dem individuellen Level machbar, man muss es gesellschaftlich ändern.

    Bedrückend fand ich neben dem Einfluss der Tech-Konzerne auch noch den Einfluss von schlechter Ernährung und wie die unnatürliche Umgebung gerade bei Kindern zu ADHS führen kann. Hier verknüpft sich das für mich wieder etwas mit dem Wunsch nach Verkehrswende. Wenn Kinder nicht selbstbestimmt ihre Freizeit gestalten können, so entgeht ihnen die Möglichkeit sich selbst zu erleben und zu wachsen. Dieser Mangel an Wachstum führt dann zu einem Mangel an Aufmerksamkeit steht im Buch.

    Das Buch ist ingesamt sehr schön geschrieben. Der Autor ist Journalist und beschreibt immer mehrere Perspektiven zu jedem Thema. Dadurch wirkt es ausgewogen und ansprechend zu lesen. Leider hinterlässt es eine gewisse Ernüchterung, die angesprochenen Probleme müssen als Gesellschaft angegangen werden. Aber je mehr Leute sich diesen Problemen bewusst sind, umso eher können wir als Gesellschaft etwas dagegen unternehmen.

  13. Stevens, E., Antiga, L. & Viehmann, T. Deep Learning with PyTorch: Build, Train, and Tune Neural Networks Using Python Tools. (Manning, 2021).

    PyTorch scheint neben JAX das aktuell angesagte Framework für Maschinenlernen zu sein. Um hier einen Überblick zu bekommen, habe ich mir dieses Buch besorgt. Das Buch führt in PyTorch ein und zeigt anhand von einem komplexeren Projekt, was man damit so alles machen kann.

    Für mich waren große Abschnitte um Buch nicht sehr relevant, weil ich schon viele grundlegende Dinge über Maschinenlernen an sich gelernt hatte und jetzt vor allem PyTorch sehen wollte. Die Autoren haben sich viel auf das konkrete Projekt konzentriert, aber weniger auf die Philosophie hinter PyTorch. Ordnet man das Buch gemäß der Quadranten der Dokumentation ein, so ist es vor allem ein How-To Guide, ich hätte aber gerne Explanation gehabt.

  14. Liu, C. The Three-Body Problem. (2008).

    Dieses Science-Fiction-Buch umspannt ein paar Jahrzehnte während und nach der Kulturrevolution in China. Es gibt mehrere Charakterbögen, die schließlich zusammenkommen.

    Die Physik in diesem Buch ist in Ordnung, es ist einiges an echter Science Fiction. Leider gibt es trotzdem noch einiges an Weltraumfantasie. Das Drei-Körper-Problem taucht auf interessante Weise auf. In diesem Sinne war es interessant zu lesen. Allerdings gibt es grobe Schnitzer bezüglich Quantenverschränkung und Informationsübertragung, das hat bei mir das Interesse dann gedämpft. Auch versteckte Dimensionen kommen vor. Da kann man nicht wirklich sagen, ob das nicht vielleicht so gehen könnte. Es wirkte zum Ende hin dann schon wie space magic.

    Die Lektüre dieses Buches war ein bisschen seltsam. Zuerst kam ich nicht richtig in die Geschichte hinein, weil sie mir ziemlich fremd vorkam. Aber dann wurde ich richtig hineingezogen und habe das Buch in nur wenigen Sitzungen zu Ende gelesen. Das Ende des Buches ist nicht das Ende der Geschichte, es gibt noch zwei weitere Bände. Aber obwohl mich das Buch gefesselt hat, hätte ich lieber in einem Band abgeschlossen, als mit den Fortsetzungen weiterzumachen. Vielleicht werde ich die anderen Bände irgendwann in der Zukunft lesen, aber ich bezweifle es.

  15. Larson, W. Staff Engineer: Leadership beyond the management track. (2021).

    Für Softwareentwickler gibt es in der Regel eine Karriereleiter, die als Junior-Entwickler anfängt und als Senior-Entwickler endet. Möchte man darüber hinaus, scheint man Personalverantwortung übernehmen zu müssen, also das Management. Viele Entwickler*innen wollen aber lieber weiterhin Entwicklung machen. Viele Firmen haben daher eine Abzweigung in der Karriereleiter, die sogenannten »Staff-Plus« Rollen. Dies sind dann Entwickler, die kein eigenes Team haben, allerdings direkt einem höheren Manager unterstellt sind. So hat ein Senior-Entwickler einen Teamleiter als Vorgesetzten, ein Staff Engineer wird dann aber von einem Abteilungsleiter geführt. Somit kann der Staff Engineer die Authorität vom Abteilungsleiter ausgeliehen bekommen und somit größere und schwerere Projekte angehen.

    In diesem wird dieser Pfad aufgezeigt und auch erklärt, wie man ihn beschreiten kann. Die zweite Hälfte des Buches besteht aus Interviews mit Staff Engineers aus diversen Firmen. Das Buch ist natürlich auf den US-amerikanischen Markt ausgerichtet und fokussiert sich dann auch eher auf das Silicon Valley. So richtig mitgenommen haben mich diese Geschichten nicht, weil für mich der Übertrag fehlt. Bis ich den Sprung zum Staff Engineer machen kann, müsste ich erstmal so richtig in der Rolle des Senior Engineers ankommen, und da sehe ich mich noch nicht ganz. Von daher habe ich den Teil dann übersprungen.

  16. von Bronswijk, K. Klima im Kopf: Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht. (oekom, 2022).

    Die Verhaltenstherapeutin und Greenpeace-Aktivistin beschreibt in dem Buch die psychologische Sichtweise auf die Klimakrise und was es mit uns Menschen macht. Sie schreibt auch recht viel zur Psyche von Aktivist*innen, was ich als selbst Aktiver sehr hilfreich findet. Gerade das Konzept des »Aktivisten-Burnout« fand ich spannend. Weil Konzerne die Ausbeutung der Lebensgrundlagen beruflich machen, kommt man im Ehrenamt nicht mehr hinterher. Je nach psychischer Herkunft kann man dann versuchen, durch noch mehr Einsatz die Welt trotzdem zu retten, das kann aber nicht funktionieren.

    Sie bietet neue Sichtweisen und Narrative, wie man mit der Klimakatastrophe klarkommen kann. Sie benennt klar die Klimakatastrophe als das Problem und nicht unsere emotionalen Reaktionen darauf. Trotzdem müssen wir schauen, wie wir emotional damit fertig werden können. Sie zeigt diverse Mechanismen auf, mit denen man seinen Umgang damit nachhaltig gestalten kann.

    Sehr schön finde ich die Darstellungen von Klimaangst, Klimatrauer und Klimawut. Klimaangst ist die Angst vor der kommenden Veränderung und den Problemen, die es mit sich bringt. Die Klimatrauer ist das Betrauern von Dingen, die durch den Klimawandel verlorengehen, seien es Spezies, Korallenriffe, Wälder, Flugreisen. Zuletzt hat sie noch die Klimawut, also die Wut über unzureichende Maßnahmen. Sie schreibt: »Ich glaube, dass Klimawut genauso wie Klimatrauer total unterschätzt wird. Das liegt auch daran, dass wir Wut häufig mit Aggression und Gewalt in Zusammenhang bringen und sie deswegen verpönt ist. Aber man kann Wut eben auch konstruktiv kanalisieren und in Handlung übersetzen, die uns weiterbringt.«

    Für mein Engagement für die Mobilitätswende hilft mir das durchaus ein nachhaltigers Narrativ zu formen. Insbesondere die Bewegung »Beyond Hope«, die einen pragmatischen Optimismus möchte, hilft hier. Dadurch kann ich meine Einschätzung meiner Wirksamkeit von den tatsächlich erreichten Dingen trennen. Das muss ich auch, schließlich habe ich das meiste davon gar nicht in der Hand. Sie schreibt: »Es bedeutet auch, dass wir unsere Erfolge nicht mehr daran messen, ob sie letztendlich dazu führen, das verträgliche Limit von 1,5 Grad einzuhalten. Bei Beyond Hope geht es nur noch um die Frage, wer man sein möchte in der Zeit, die einem auf diesem Planeten gegeben ist.« Und hier möchte ich jemand sein, der sich für nachhaltige und menschengerechte Mobilität einsetzt. Daraus kann ich ein stabileres Selbstbild ziehen, als wenn ich mich an konkreten Entscheidungen oder Ergebnissen aufhänge.

  17. Filatjew, P. ZOV – Der verbotene Bericht: Ein russischer Fallschirmjäger packt aus. (Hoffmann und Campe, 2022).

    Der Autor stammt anscheinend aus einer Militärfamilie und war selbst bei der Armee, verließ sich allerdings wieder. Während der Corona-Pandemie hatte er schlechte Jobaussichten und verpflichtete sich erneut als Fallschirmjäger. Ohne nennenswerte Ausbildung, mit unzurechendem Material und ohne klaren Plan wurde er dann Ende Februar 2022 in die Ukraine geschickt. Ihm kam das ganze total wahnsinnig vor.

    Im Buch beschreibt er die ersten zwei Monate im Krieg, abwechselnd erzählt er von seiner Zeit nach der Verletzung und Kampfunfähigkeit. Die russische Armee scheint extrem schlecht aufgestellt zu sein, und er prangert diese Verwahrlosung und Korruption an. Zu seiner Dienstzeit hatte er sich immer wieder beschwert, auch eine Beschwerde ans Verteidigungsministerium geschickt. Danach hat man ihm das Leben besonders schwer gemacht.

    Wahrscheinlich ist aber gerade das der Charakterzug, den ihn motiviert hat, dieses Buch zu schreiben. Er hat dieses Buch geschrieben, weil er nicht still sein wollte, obwohl das Aussprechen der Probleme inzwischen in Russland strafbar ist. Er schien bereit zu sein ins Gefängnis zu gehen, lebt jetzt im politischen Asyl in Frankreich. Am Ende des Buches beschwert er sich über die »Arschkriecher« in der Armee, die durch ihr Verhalten die Situation erst ermöglich hat. Er beschwert sich über jene Russ*innen, die sich jetzt für die russische Staatsbürgerschaft schämen. Alle Leute sollten so viel Einsatz zeigen, wie er das getan hat und versuchen das System zu ändern.

    Ich kann seine Gedanken nachvollziehen, wenn sich alle Leute geschlossen gegen das System wehren würden, würde es verschwinden. Mir erscheint das allerdings etwas naiv, ohne die genaue Situation in Russland zu kennen. Mein Bild, geformt von den deutschen Nachrichten, ist das eines repressiven Systems, das den einzelnen Leuten derart harsche Konsequenzen für ein Aufmucken in Aussucht stellt, dass keine Person die erste sein möchte. Und dann ist es wie beim Gefangenendilemma: Natürlich wäre es besser, wenn alle Leute auf die Straße gehen. Aber wenn man selbst geht, und die anderen nicht, dann hat man ein massives Problem für sich. Und selbst wenn man trotzdem alleine geht, dann verändert es das System nicht.

    Auch dass er selbst jetzt im Ausland lebt zeigt mir, dass er großen Mut bewiesen hat, sich so mit dem System anzulegen. Aber gleichzeitig zeigt es auch, dass das kein gangbarer Weg für jede Person ist. Ich wünsche mir, genauso wie er wohl auch, dass die Bürger*innen dieses System überleben und in Freiheit leben können. Aber ich fürchte, dass derartige Systeme stabiler sind, als er sich das vorstellt. Daher fällt es mir schwer mich seiner Wut über die Bürger*innen so anzuschließen.

    Schaut man in andere Rezensionen im Internet, findet man noch ein paar Kontroversen. So schien der Autor vorzuhaben den Erlös des Buches an die Ukraine zu spenden. Später wollte er dann doch das Geld, oder zumindest einen Teil davon, behalten. Das wird ihm dann moralisch vorgeworfen. Der Mann muss sich in einem neuen Land einleben, dessen Lebenshaltungskosten wohl eher hoch sind. Dann muss er eine neue Sprache lernen, muss perspektivisch einen Job finden. Auch hat er wahrscheinlich nicht viel mitnehmen können. Von daher finde ich es hier schon eher überheblich, darauf zu bestehen, dass er alles Geld spendet. Er hat ja nicht den Krieg angefangen, um dann Geld mit dem Buch verdienen zu können. Andere Leute beschwerten sich, dass das Buch zu einfach geschrieben ist, und dass der Autor sich selbst ein bisschen überschätzen würde. Auch hier finde ich das übertrieben, er ist Soldat mit Mannschaftsrang, anscheinend ohne formale Ausbildung. Er schreibt authentisch seine Perspektive, und so sollte man das Buch wohl auch lesen.