Linienschallquellen und ihre Bedeutung für Durchgangsstraßen
Fernstraßen sind leider Linienschallquellen und verlärmen einen viel größeren Bereich. Daher hört man Straßen weiter, als man vielleicht denkt. Ein bisschen Physik-Hintergrund.
Die Energie einer Schallwelle verteilt sich im Raum. Entfernt man sich von einer Schallquelle, wird es leiser. Das kennen wir alle aus dem Alltag. Wir sind auch gewohnt, dass es rasch leiser wird, wenn wir uns von einer Lärmquelle entfernen.
Unser menschliches Empfinden von Lautstärke ist ziemlich komplex, nur weil der Schalldruck doppelt so gering wird, nehmen wir es nicht direkt als halb so laut wahr. Wir haben da eine logarithmische Skala; wir nehmen die halbe Schallenergie nur als »eine Stufe« weniger laut wahr.
Was wir uns aber einmal anschauen können ist die Verteilung der Schallleistung auf mehr Fläche, wenn wir uns von der Quelle entfernen. Starten wir in der Ebene mit einem Kreis. Der Umfang $U$ eines Kreises ist Abhängig vom Radius $r$. Die Beziehung ist $U = 2 \pi r$. Wenn der Radius doppelt so groß ist, dann ist der Umfang doppelt so groß. Das kann man hier in dem Bild sehen:
Die Schallenergie teilt sich immer auf dieser Fläche auf. Wenn wir also doppelt so viel Fläche haben, haben wir halb so viel Energie pro Fläche. Der Schalldruck nimmt also ab. Weil hier der Umfang proportional zum Radius ist, nimmt die Schallenergie $E$ proportional zum Radius ab. Wir können also schreiben $E \propto 1/r$.
In unserer dreidimensionalen Welt teilt sich die Schallenergie allerdings auf einer Kugeloberfläche auf. Dort ist die Fläche $A = 4 \pi r^2$. Die Fläche wird also viermal so groß, wenn wir den Radius verdoppeln. Das können wir hier im Bild angedeutet sehen:
Für die Energie bedeutet dies, dass sie sich auf die vierfache Fläche aufteilen kann. Wir haben also den Zusammenhang $E \propto 1/r^2$. Das bedeutet ganz praktisch, dass bei doppelter Entfernung zur Schallquelle das ganze um einen Faktor vier leiser wird.
Eine lange Straße ist jetzt aber besonders. Da haben wir nicht nur eine Schallquelle, sondern eine ganze Linie aus Schallquellen. Und jede dieser Schallquellen erzeugt eine Kugel von Schallwellen, die sich ausbreiten. Das Besondere ist jetzt, dass zwar jede einzelne Schallquelle mit zunehmender Entfernung deutlich leiser wird, jedoch nimmt man aus größerer Entfernung einen größeren Abschnitt der Straße wahr! Das habe ich im folgenden Bild einmal dargestellt:
Die Person weiter unten mit gleichem »Blickfeld« hört von viel mehr Autos den Lärm, als die Person nahe an der Straße das tut. Zwar ist mit zunehmender Entfernung jedes Auto um $1/r^2$ leiser, allerdings sieht man mit zunehmendem $r$ auch mehr Autos. Das ganze hebt sich ein bisschen auf.
Wir können das auch einmal ausrechnen. Nehmen wir die Schallenergie einer Schallquelle an Position $x$ der Straße zu einem Beobachter mit Distanz $d$ zur Straße als $1/(x^2 + d^2)$ an, können wir das ganze integrieren. Ich kann diese Integrale auch nicht (mehr) so, also habe ich Wolfram Alpha genutzt. Heraus kommt eine Funktion, die proportional zu $1/r$ ist.
Was wir jetzt also sehen ist dass eine lange Straße nicht so schnell mit Entfernung leise wird, wie man das von normalen Schallquellen erwarten würde. Wenn wir von der Straße doppelt so weit weg gehen, würden wir einen Faktor 4 erwarten. Wir bekommen aber nur einen Faktor 2. Viel schlimmer ist es noch weiter weg. Entfernt man sich einen Faktor 10 mehr, würde man von einer Punktquelle nur noch einen Faktor 100 weniger hören, das wäre dann extrem leise. Die Straße ist aber nur einen Faktor 10 leiser.
Man kann daher gut unterschätzen, wie laut Straßen eigentlich noch in etwas Entfernung sind. Und genau da wird es dann bei Wohngebieten ziemlich ernüchternd.
Ein wirklich trauriges Beispiel ist die Autobahn A 4 zwischen Köln und Hürth am Decksteiner Weiher. Schauen wir uns das mal auf der Open Street Map an:
Wir können hier einen schönen Park sehen, der allerdings an der Süd-West-Seite von der Autobahn begleitet wird. Die Autobahn ist zermürbend laut. Aber selbst wenn man sich von der entfernt und näher zum Wasser geht, bleibt das störend laut und präsent. Steht man am Wasser, so hört man den reduzierten Lärm von einer sehr großen Anzahl Autos. Es wird nicht angenehm leise.
Eine andere Situation hatte ich auch bei einer Hausbesichtigung in Hangelar. Da geht an der Südseite die B 56 entlang. Weil die Straße so lang ist, hört man auch noch einige Straßenzüge weiter die Bundesstraße sehr laut. Auch das kann man auf der Open Street Map sehen:
Um das Problem zu lösen müsste man die Straße auf ganzer Länge mit Lärmschutzwänden versehen. Es reicht nicht nur das bisschen direkt an der Siedlung zu machen. Damit es auch weiter im Ort leise wird, muss man alle Schallquellen entlang der ganzen Linie abschirmen. Und das ist dann direkt zu teuer.
Eine lange Durchfahrtsstraße verlärmt viel weiter, als man das von einer normalen Punktschallquelle gewohnt ist. Und daher muss wirklich weit weg von solchen Straßen sein, damit man nicht dem dauernden Verkehrslärm ausgesetzt ist. Da wir aber ein recht dichtes Netz an diesen Straßen haben, ist das fast unmöglich.