Künstliche Trennung nach Verkehrsmittel
Die Lokalpresse hier in Bonn scheint als Zielgruppe eher die älteren Personen mit Vorliebe für Autos zu haben. Über die Förderung des Radverkehrs wird meist in einem negativen Framing berichtet. Zuletzt die Umweltstreifen am Herrmann-Wandersleb-Ring werden wieder so dargestellt, dass es damit nur Verkehrschaos geben wird. Es wird über »die Autofahrer*innen« und »die Radfahrer*innen« berichtet. Und während es Leitartikel gibt, der diese Spaltung herbeiredet, gibt es daneben eine Kommentarspalte von einem Redakteur, der über die Spaltung der Stadtgesellschaft sinniert. Tja, woher die nur kommen könnte …
Man kann alle Menschen in Gruppen ohne Überlappungen einteilen, auch wenn es einige Leute gibt, die das grundsätzlich ablehnen. Im Zweifelsfall teilt man einfach in jene Leute ein, die an Einteilbarkeit glauben, und jene, die nicht daran glauben. Das ist ein bisschen wie das Russelsche Paradox. Das mag bei Nationalitäten einigermaßen gehen (Ausnahme doppelte Staatsbürgerschaft), bei so etwas wie Mieter/Eigentümer, Arbeitnehmerin/Selbstständige, kinderlos/Eltern, ledig/verheiratet klappt das exakt. Die Kategorien sind nämlich jeweils die Komplimente zueinander, jedenfalls so lange, wie jemand nie in einer Mietswohnung wohnt und eine Eigentumswohnung am anderen Ort vermietet.
Beim Verkehrsmittel ist es überhaupt nicht zielführend, eine harte Einteilung vorzunehmen. Würde man ein Framing von »Autofahrer*innen« von »Radfahrer*innen« machen, dann könnten die Leute nicht zwischen den Verkehrsmitteln wechseln. Verbesserungen wären dann immer nur Klientelpolitik. Aufgrund der begrenzten Fläche auf der Straße ist es dann auch ein Nullsummenspiel, bei denen die eine Gruppe gegen die andere ausgespielt werden würde. Das ist natürlich genau das, was besagte Zeitung die ganze Zeit macht.
Die Realität sieht aber anders auch. Ich fahre meist mit dem Fahrrad, ja. Aber ich gehe auch häufig zu Fuß, wenn die Strecken nicht so lang sind. Zum Bäcker laufe ich zum Beispiel, aber manchmal fahre auch mit unserem Auto ins Ruhrgebiet, in den Urlaub oder gar in die Bonner Innenstadt. Manchmal fahre ich auch Bus, und häufiger mit der Bahn. Unser Haushalt ist also nicht autofrei, sondern autoarm. Wenn die Zeitung jetzt titelt, dass sich »Autofahrer aufregen« würden, bin ich dann mit gemeint? Bin ich nur gemeint, wenn ich gerade im Auto sitze? Und kann ich mich als Teilzeit-Autofahrer auch noch über zugeparkte Gehwege aufregen? Oder macht mich das direkt wieder zu einem Fußgänger?
Darüber hinaus greifen die verschiedenen Verkehrsmittel auch ineinander. Wenn man die Bahnverbindung zwischen zwei Städten ausbaut, dann entlastet das die parallele Autobahn, weil nicht mehr alle mit dem Auto fahren müssen. Jene, die es weiterhin müssen (oder gar wollen) haben dann mehr Straßenkapazität zur Verfügung. Not Just Bikes hat ein schönes Video dazu gemacht, dass Autofahren in den Niederlanden sehr angenehm ist. Dadurch, dass so viele Leute das Fahrrad oder den Bus nehmen, ist wieder viel Kapazität auf den Fahrbahnen entstanden. In Bonn hingegen ist der Anteil vom Radverkehr noch nicht so hoch, entsprechend fahren mehr Leute mit dem Auto. Und erzeugen damit einen Stau, in dem sie dann feststecken.
Dieses Framing suggeriert auch, dass eine Stadt nur für ein Verkehrsmittel gleichzeitig funktionieren kann. Daran hängt dann auch die Forderung, die anderen Verkehrsmittel abzuschaffen. Natürlich hat man immer wieder Konflikte: Radfahrer fahren nicht 55 km/h und man muss hinter ihnen mit dem Auto langsamer fahren; ein Bus muss an einer Haltestelle halten und man muss mit dem Auto warten; KFZ-Parkplätze werden zugunsten eines breiteren Gehweges entfernt. Wenn man die Stadt doch nur konsequent als Autostadt planen würde, dann wäre der Kraftverkehr bestimmt viel besser! Naja, der Blick in die USA zeigt, wie Städte ohne alternative Verkehrsmittel aussehen. Und dort haben sie auch brutale Staus, weil das Auto einfach ein ineffizientes Verkehrsmittel für die Massen ist. Es ist in schwach besiedelten Gebieten angemessen, aber nicht in Städten. Eine Stadt für das Auto ausrichten und dann keine Staus mehr haben, geht nicht.
Das Gegenteil hatten wir früher, da gab es schlicht keine Autos. Das Leben ging auch irgendwie. Die Städte waren kompakter, wie man an verbliebenen Altstädten sehen kann. Die lokale Versorgung war zu Fuß möglich. Dafür gab es natürlich deutlich weniger Auswahl und Möglichkeiten. Die haben wir durch die mit dem Auto höhere Reichweite deutlich erhöht. Das möchte man auch nicht wieder zurückdrehen. Allerdings sind die Staus, der Lärm und die Verschmutzung nichts, von denen irgendwer noch mehr haben möchte.
Eine Stadt kann nur sinnvoll funktionieren, wenn es einen angemessenen Mix der Verkehrsmittel gibt. Und dieser Mix muss auch in jedem Haushalt passieren. Also nicht eine feste Einteilung in radfahrende Student*innen und autofahrende Angestellte, sondern dass sich jede:r für jede Strecke überlegt, welches Verkehrsmittel angemessen ist. Und so kann man dann zu Fuß zum Bäcker, mit dem Fahrrad zum Einkaufen, mit dem Auto zum Großeinkauf, mit der Bahn zur Arbeit. Und so ist dann jede:r je nach Ziel Fußgänger*in, Radfahrer*in, Busfahrer*in, Bahnfahrer*in, und Autofahrer*in.
Ob diese Sichtweise jemals bei der Zeitung ankommt, bezweifele ich. Und solange die Zeitung das immer so darstellt, wird es wohl auch in den Köpfen der Leute länger feststecken.