Kleine Anfrage zum Gehwegparken beim Land NRW

Es gab eine Kleine Anfrage zum Gehwegparken an die Landesregierung von NRW. Darin scheint eine eher politische Meinung mit mir unschlüssiger Begründung gegeben zu sein. Die Landesregierung fühlt sich nicht zuständig, sieht kein großes Problem mit schmalen Rest-Gehwegen (≥ 1 m) und will auch nichts vereinheitlichen.

Die Saga zum Gehwegparken geht weiter. Ich hatte ja schon bei der Bezirksregierung nachgefragt, und dort war es sehr ernüchternd. Arndt Klocke, Abgeordneter der Grünen im Landtag NRW, hat parallel eine kleine Anfrage an die Landesregierung (Kopie) gestellt. Inzwischen liegt die Antwort (Kopie) vor. Ich werde aus beiden zitieren und ein bisschen kommentieren.

Die Anfrage beginnt mit einer Einordnung des Anliegens:

Das Parken von Autos auf dem Gehweg ist laut Straßenverkehrsordnung eigentlich verboten, Ausnahmen müssen entsprechend beschildert und/oder markiert sein. In den Kommunen wird jedoch das Gehwegparken in der Regel geduldet und nicht von den Überwachungsbehörden geahndet, wenn eine entsprechende „Restbreite“ für den Fußverkehr übrig bleibt. Die Festlegung dieser „Restbreite“ ist jedoch von Kommune zu Kommune unterschiedlich. So wird das Gehwegparken in Köln bei einem verbleibenden Durchgang und normal frequentierten Gehweg von unter 1,2 Metern geduldet, in Münster von unter einem Meter und in Wuppertal gar nur von unter 0,8 Metern. In der Praxis wird aber auch bei Unterschreitung der festgelegten Mindestbreiten in der Regel der Parkverstoß nicht geahndet.

Dann wird noch auf Baden-Württemberg hingewiesen, die einen Erlass für das ganze Land haben.

Die Landesregierung Baden-Württembergs hat einen „Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr“ herausgegeben, der die Ordnungsbehörden anweist, das an sich illegale Parken auf Gehwegen zu unterbinden und keine allgemeinen Duldungen durch die Kommune mehr auszusprechen. Im Gegenteil muss im Einzelfall nach bestimmten Kriterien begründet werden, warum das Gehwegparken nicht entsprechend geahndet wird.

Erste Frage

Die erste Frage bezieht sich auf den Flickenteppich der verschiedenen Regelungen. Zum Beispiel hat die Stadt Niederkassel ein Null-EUR-Knöllchen, der absolute Witz. In Leverkusen erlaubt die CDU das Gehwegparken, obwohl das gegen die VwV-StVO ist. Mit wahrscheinlich derartigen Gedanken im Hinterkopf also diese Frage:

Wie bewertet die Landesregierung die unterschiedlichen Regelungen in den Kommunen in NRW hinsichtlich der Beeinträchtigung der zu Fuß Gehenden und insbesondere in ihrer Mobilität eingeschränkten Personengruppen?

Der Innenminister (Herbert Reul, CDU) antwortet in Abstimmung mit dem Verkehrsminister (Hendrik Wüst, CDU). Der erste Absatz der Antwort:

Eine Bewertung von unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der Beeinträchtigung der zu Fuß Gehenden und insbesondere in ihrer Mobilität eingeschränkten Personengruppen aller Kommunen ist seitens der Landesregierung nicht möglich. Die Überwachung des ruhenden Verkehrs ist eine kommunale Aufgabe.

Das erste, was man in der Verwaltung machen muss, ist seine Zuständigkeit prüfen. Aber wie kann es sein, dass wenn man das Land bezüglich Richtungsweisung fragt, nur gesagt wird, dass es Aufgabe der Kommunen ist? Es gibt auch andere Aufgaben, die die Kommunen haben. Wenn jetzt eine Kommune die Anarchie ausrufen würde, würde das Land dann auch nichts tun?

Weiter geht es in der Antwort:

Allen Kommunen und städtischen Ordnungsämtern ist das Problem des Parkens auf Gehwegen hinlänglich bekannt, welches die Lebensrealität einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen von Verkehrsteilnehmern betrifft. Aufgrund eines immensen und weiterhin steigenden Parkdrucks wird in vielen Straßen auf Gehwegen geparkt.

Beim Wort »Parkdruck« bekomme ich den puren Hass. Wenn ich mir ein Pony kaufen würde, müsste ich vorher schauen, wo ich das unterbringe. Ich (und alle anderen) kann das doch nicht einfach in die Rheinaue stellen und sagen, dass wir halt so viele Ponys haben?

Und »Lebensrealität einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen« ist eine schöne Umschreibung für das asoziale Abstellen von Privateigentum auf öffentlichen Flächen.

Weiter:

Grundsätzlich ergibt sich aber aus § 12 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), dass das Parken auf Gehwegen verboten ist.1 Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen dieses grundsätzliche Verbot verstößt, handelt ordnungswidrig gemäß § 24 Absatz 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Die Verfolgung einer solchen Ordnungswidrigkeit liegt dabei nach § 47 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden.

Uiuiui, Gehwegparken ist illegal, weil es verboten ist! Aber man muss es vorsätzlich oder fahrlässig machen? Wenn man das in dummer Naivität nur so ein bisschen macht, dann ist das okay? Wenn man also nicht mitbekommt, dass der eigene Hund gerade mitten auf den Gehweg kackt, dann ist das gar keine Ordnungswidrigkeit? Und wenn mir im Geschäft etwas in meinen Rucksack fällt, dann ist das auch keine Straftat? Und wenn man ohne Ticket mit der Bahn fährt?

Da haben die Law & Order Typen von der CDU dann ganz plötzlich kein Verständnis mehr. Generell ist ziemlich lustig zu sehen, wie man einerseits so auf Rechte pocht, immer mehr verschärft und dann doch bei den Leuten direkt vor der Haustür nichts davon umsetzen will.

Weiter:

Die zuständigen Ordnungsämter gehen entsprechend situationsbezogen und mit Augenmaß vor. Nur so ist gewährleistet, dass die Verfolgungsbehörden den ihnen eingeräumten Ermessenspielraum auch pflichtgemäß und im Einzelfall ausfüllen. Dieser Ermessenspielraum ist nicht frei, aber doch weit gehalten, wobei sachliche Umstände in die Erwägung einfließen müssen.

Was soll das heißen? Man kann nicht pauschal sagen, dass die Regelungen aus der StVO angewandt werden soll? Bei anderen Gesetzen geht es doch auch ganz pauschal.

Weiter:

Die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage erwähnte und für die Verfolgung von Verstößen gegen § 12 Absatz 4 StVO zuständige Stadt Wuppertal hat dabei allein im Jahr 2020 13.192 Verstöße registriert und verfolgt. Von einer Duldung des Gehwegparkens kann daher in dieser Kommune nicht die Rede sein. Auch das Handeln der Stadt Münster wird durch für die Fachaufsicht zuständige Bezirksregierung Münster nicht beanstandet. Die Ahndungspraxis bewegt sich demnach im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens nach § 47 Absatz 1 Satz 1 OWiG. Gleiches gilt für die Stadt Köln. Durch die Bezirksregierung Köln wurde mitgeteilt, dass nach der Dienst- und Geschäftsanweisung der Stadt Köln Folgendes gilt: „Parken auf Gehwegen - und auf Platzflächen - ist, unabhängig davon, ob es behindert oder nicht, ein mit massiven Mitteln zu unterbindendes Übel. Seine Überwachung ist daher mit hoher Priorität zu betreiben“.

Oh, die Stadt Wuppertal hat im Jahr 2020 über 13.000 Verstöße verfolgt. Das ist ja voll die hohe Zahl! Also ich als Privatperson habe in jenem Jahr 196 Privatanzeigen gestellt. Und wahrscheinlich werden die Anzeige von Privatpersonen dort auch noch mitgezählt.

Aus dem Magazin des ADFC Bonns habe ich noch diese Zahlen für 2018: Dort haben 27 Verkehrsaufseher auf Geh- und Radwegen ganze 538 Verwarnungen ausgestellt. In den beiden Jahren 2017 und 2018 haben sie aber 47.000 Verwarnungen für überzogene Parkgebühren ausgestellt. Man erkennt also die Prioritäten der Verkehrsüberwachung.

Insgesamt gibt es in Wuppertal ungefähr 200.000 Fahrzeuge. Das bedeutet also, dass jeden Tag nur 0,018 % der Fahrzeuge in Wuppertal ein Ticket bekommen haben. Wenn ich eine kleine Runde spazieren gehe, komme ich an wenigen Hundert Fahrzeugen vorbei, habe aber dann Material für eine Handvoll Anzeigen. Das ist also eine Falschparkerdichte im Prozentbereich. Selbst wenn man jetzt noch sehr großzügig ist und einen Großteil der Fahrzeuge in privaten Garagen versteckt rechnet, ist das noch immer ein bis zwei Größenordnungen über dem, was in Wuppertal wirklich verfolgt wird.

Wenn die Stadt eine Million Anzeigen pro Jahr hat, würde ich spontan damit zufrieden sein.

Weiter:

Hinsichtlich der aufgeführten Problematik einer „Restbreite“ im Falle eines ordnungswidrigen Gehwegparkens gilt Folgendes: Von behinderndem Verhalten ist immer dann auszugehen, wenn andere Personen in beabsichtigtem Verkehrsverhalten nachhaltig beeinträchtigt werden.³ Um eine Funktionsbeeinträchtigung eines Gehweges auszuschließen, genügt es nicht, einen schmalen Engpass zu belassen, durch den Rollstuhlfahrer und Personen mit Rollator oder Kinderwagen „mit Mühe und Not“ passieren können. Vielmehr muss auch ein problemloser Begegnungsverkehr unter ihnen und mit Fußgängern möglich bleiben.⁴ Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nimmt bei einem verbleibenden Durchgang von 80 Zentimeter Durchmesser an, dass eine Behinderung des Fußgängerverkehrs vorliegt, welche eine Abschleppmaßnahme rechtfertigen könne.⁵

Also erstmal richtig, es muss Begegnungsverkehr möglich sein. Und das ganze dann auch würdevoll und nicht mit »mit Mühe und Not«. Daher sollen es schon luxuriöse 80 cm sein. Ein Straßenrollstuhl ist bis zu 77 cm breit. Nutzer*in muss aber noch die Hände nutzen können, dazu sollen nochmal jeweils 7 cm aufgeschlagen werden. Das macht dann 91 cm. Die Stadt Bonn schleppt ja immerhin schon ab unter 100 cm ab.

Und wenn ein Rollstuhl schon so breit ist, wie genau ist dann »Begegnungsverkehr« zu verstehen?

Fußnote 5 ist OVG Nordrhein-Westfalen, 20.12.2012 - 5 A 2802/11. Ich bin juristischer Laie, lese dort aber heraus, dass 80 cm nicht ausreichen. Das bedeutet für mich aber nicht, dass 81 cm in Ordnung sind. Wo genau die Grenze ist, wurde in diesem Urteil gar nicht gesagt, nur dass 80 cm zu wenig ist.

Umso lächerlicher erscheint dann der nächste Absatz aus der Antwort:

Die Vorgehensweise erst bei einer Unterschreitung der Durchgangsbreite von einem Meter eine Behinderung anzunehmen und weitere Maßnahmen zu veranlassen, geht insofern mit der Rechtsprechung konform.

Wie sagt dieses Urteil denn jetzt, dass ein Meter Restbreite okay ist? Es könnte genauso gut auch noch zu wenig sein.

Und selbst wenn man sich auf einen Meter Breite als Grenze für die Behinderung einigt, dann müssen die anderen Gehwegparker noch immer eine OWi-Anzeige bekommen, also einen Strafzettel verpasst bekommen.

Weiter:

Das Handeln der aufgeführten Kommunen entspricht insgesamt den Vorgaben des OWiG und hält sich insbesondere im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens nach § 47 Absatz 1 Satz 1 OWiG.

Grandios. Mir scheint, als hätten sie einen Fehler in ihrer Argumentationskette und daher sei auch das Fazit falsch. Aber ich bin ja kein Jurist. Das werde ich versuchen mit Arndt Klocke zu besprechen.

Zweite Frage

In der zweiten Frage geht es nochmal explizit um das Opportunitätsprinzip:

Teilt die Landesregierung die Rechtsauffassung des Landes Baden-Württemberg: „Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht- Ahndung braucht als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu dokumentieren ist (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiGMitsch, Einleitung Rn. 155, 156). Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel das Gehwegparken, das auch für Motorräder untersagt ist) nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang.“?

Wenig überraschend wird in der Antwort auf das bisher schon geschriebene verwiesen:

Die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen teilt die vorbezeichnete Auffassung der Landesregierung des Landes Baden-Württemberg im Grundsatz. Hinsichtlich der Ermessensausübung wird zunächst auf die Ausführungen zu Frage 1 verwiesen.

»Im Grundsatz« heißt wohl: Wir machen ein Lippenbekenntnis, aber ahnden wollen wir das jetzt auch nicht.

Weiter:

Im Übrigen ist aber zu berücksichtigen, dass über die Ahndung oder Nichtahndung von Ordnungswidrigkeiten im Rahmen des Ermessens im Hinblick auf die Schwere des Gesamtunrechts unter anderem auch nach quantitativen Gesichtspunkten zu entscheiden ist.

Ja, und was sind diese »quantitativen Gesichtspunkten«? In der StVO steht, dass man nicht auf dem Gehweg parken darf. Es gibt einen Tatbestand dazu. Das muss geahndet werden. Ab welcher Breite die Behinderung anfängt, muss man halt festlegen. Aber nicht mit dem oben genannten Urteil.

Dritte Frage

Es geht darum, ob wir in NRW auch so einen coolen Erlass bekommen können:

Wird die Landesregierung analog des baden-württembergischen Erlasses eine Regelung für NRW treffen?

Die Antwort hätte ich mir echt nicht ausdenken können:

Eine landesweite Regelung im Wege eines Erlasses ist schon aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten nicht beabsichtigt.

In BW hat man es geschafft einen Erlass zu erlassen, in dem letztlich steht: Wenn illegal geparkt wird, muss das auch geahndet werden. Das gilt dann für Städte wie Stuttgart, aber auch für das Land. Genauso, wie die StVO auch für den ganzen Bund gilt. Aber in NRW kann man nicht pauschal sagen, dass Autofahrer für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden sollen?

Man stelle sich vor, es ginge um irgendwelche anderen Tatbestände wie Fahren ohne Fahrschein. Da kann man anscheinend sehr wohl pauschal sagen, dass das nicht geht und das auch ahnden.

Fazit

Ich spüre die Arroganz, die da zwischen den Zeilen trieft. In der Antwort wird meiner Auffassung nach ein falsches Maß für das Abschleppen konstruiert. Und generell macht man einen schlanken Fuß und schiebt alles auf die Kommunen.