Kein Asphalt für den Weerdsingel in Utrecht

Wenn man als Radfahrer*in den Zustand der Radweginfrastruktur in Deutschland und den Niederlanden vergleicht, so mag man die Niederlande für das gelobte Land haben. Als ich 2022 in Utrecht war, bestätigte sich dieser Eindruck. Interessanterweise gab es dort aber trotzdem einen Unmut gegen ein Asphaltierungsprojekt an einer Ringstraße. Das fand ich ziemlich interessant.

Es geht um den Weerdsingel in Utrecht, eine Straße außen um den Kanal herum, der das Zentrum umgibt. Es ist eine schöne Wohnstraße, die wohl auch ein bisschen Durchgangsverkehr abbekommt. Man kann auch sehen, wie die Fahrbahn in der Mitte das grobe Pflaster hat, die Radfahrstreifen allerdings in feinem Pflaster ausgeführt sind. So ist Autofahren dort nervig, aber Radfahren geht dort ganz gut.

Bild von der Weerdsingel in Utrecht

In einem der Fenster hing eine Petition mit dem Titel »Weerdsingel Ost: Kein Asphalt – Sicher mit dem Fahrrad«:

Es gibt also Pläne seitens der Stadtverwaltung die komplette Fahrbahn zu asphaltieren. Die Anwohner*innen wehren sich dagegen, weil sie damit nicht einverstanden sind. Von der Webseite der Petition übersetzt:

Der Stadtrat von Utrecht will den Weerdsingel OZ so umgestalten:

  • dass er für alle Verkehrsteilnehmer unsicherer wird, weil er zu einer asphaltierten Rennstrecke wird und der Kreisverkehr an der Noorderbrug verschwinden muss;
  • dass der rote Asphalt das geschützte Stadtbild und den Kanal als nationales Denkmal beeinträchtigt.

Aber mit Asphalt wird es für alle Verkehrsteilnehmer unsicherer, weil wie in der Koekoeksstraat eine verengte, asphaltierte Rennstrecke entsteht. Wir wollen, dass das Weerdsingel OZ ein sicherer Radweg bleibt – keine asphaltierte Rennstrecke.

Und weiter:

Wir Utrechter Bürger, Einwohner, Unternehmer, Besucher, Touristen und Radfahrer von Weerdsingel OZ stellen fest

  • dass die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer nicht von den Plänen des Stadtrats für ein Asphaltprofil auf dem Weerdsingel OZ profitieren wird. Asphalt lädt zu schnellerem Fahren ein, wie es jetzt in der Koekoeksstraat geschieht.
  • dass die Aufhebung des Kreisverkehrs mit 6 Anschlüssen gefährlich ist und kaum Zeitgewinn für Radfahrer bringt,
  • dass die beiden gefährlichen Kurven ohne jegliche Verkehrsführung lebensgefährlich sind.

und fordern

  • den Weerdsingel OZ bei der Neugestaltung nicht zu asphaltieren, für rote fahrradfreundliche Pflastersteine auf den Radwegen,
  • den Kreisverkehr zu erhalten, um Verkehrsgefahren zu vermeiden,
  • die getrennten Radwege zu erhalten,
  • den Schutz der Radfahrer an den beiden gefährlichen Kurven beizubehalten (vorzugsweise mit Verkehrsleiteinrichtungen),
  • den Kanal als nationales Denkmal und geschütztes Stadtbild respektvoll zu behandeln. Hier ist kein Asphalt angebracht.

Dazu gab es dann noch dieses sehr eingängige Bild von einer Walze, die die Bürger*innen überrollt:

Zuerst finde ich es sehr interessant wie es auch in den Niederlanden also NIMBYs (»not in my backyard«) gibt. Die wollen allerdings nicht die KFZ-Stellplätze erhalten, sondern die Radwege und die verkehrsberuhigende Fahrbahnoverfläche. Wenn man also lange genug Fahrradinfrastruktur und Verkehrsberuhigung hat, dann wollen sich die Leute das nicht mehr nehmen lassen.

Dann gibt es auch in extrem progressiv wirkenden Städten wie Utrecht immer wieder Konflikte zwischen Stadtverwaltung und Bürger*innen. Eigentlich hätte das zu erwarten sein sollen, die Konflikte sind halt immer da. Sie sind nur bezüglich anderer Dinge als hier. Aber es gibt immer wieder Leute, die nicht komplett zufrieden sind.

Inhaltlich kann ich das auch sehr gut verstehen. Dass man Radwege nicht mit Betonsteinen auslegen will, kann ich gut verstehen. Wir haben so ein Beispiel in Bonn und ich finde das unnötig mühsam zu fahren. Als ich 2018 in Leiden war, ist mir das kleinteilige Pflaster auch schon negativ aufgefallen. Über das Kopfsteinpflaster in der Bonner Altstadt schrieb ich neulich auch schon. Ich finde Asphalt zum Durchfahren viel besser. Von daher kann ich verstehen, wenn die Stadtverwaltung mehr davon umsetzen mag.

Allerdings waren die Radfahrstreifen hier ja schon in glattem Pflaster ausgeführt. Und somit käme Asphalt vor allem dem Autoverkehr zugute. Und hier sehe ich ebenfalls die Gefahr, dass der Durchgangsverkehr schneller wird. Dass das Durchfahren weniger nervig und laut wird, und die es dann mehr Autoverkehr dort geben wird. Von daher kann ich gut verstehen, dass man hier etwas dagegen hat.

Mir hat das gezeigt, wie lebendig Lokalpolitik sein kann. Wie ähnlich die Muster doch sein können, obwohl in den Niederlanden alles so viel besser scheint. Aber auch dort gibt es natürlich Vorschläge, die nicht allen Leuten vor Ort passen. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht. Aber es zeigt mir auch, dass selbst in Utrecht noch gekämpft werden muss, um das Fahrradparadies zu erhalten und auszubauen. Umgedreht bedeutet es aber auch, dass wir in Bonn noch viel erreichen können, wenn wir das wollen. Man muss also nicht auswandern, man kann auch versuchen in der Heimat Dinge zu verändern. Das kostet Kraft und Zeit, aber die investieren die Bürger*innen von Utrecht ebenfalls.