Joggen und Radfahren

Wenn ich mich bewegen möchte, mache ich das meist mit dem Fahrrad. Da komme ich gut rum, kann viel sehen und kann auch in der Natur sein. Zudem soll es auch schonender für die Gelenke (im Vergleich zum Joggen) sein. Dann hat es weniger Rüstzeit als beim Schwimmen. Ich kann einfach das Fahrrad aus dem Keller nehmen und losfahren.

Ganz so einfach ist es dann aber leider nicht. Ich habe hier keinen schönen großen Wald direkt vor der Tür. Es gibt auch ein paar Feldwege, aber kein wirklich großes Netz davon. Ich muss mir also eine Route überlegen. Und eine Anfahrt dahin, die nicht so ganz furchtbar ist. Das geht mit BRouter ganz gut. Aber das erfordert eine gewisse Vorarbeit am Computer. Dann muss man die Route so planen, dass man möglichst wenig bekloppte Stellen befahren muss. Das ist aber nicht ganz einfach.

Vor allem stört mich in letzter Zeit einfach die mangelnde Kontinuität der Strecken. Seien es Radwege auf der Gegenseite, oder plötzlich endende Radwege, kurze Insellösungen oder so kreative Radwegsanordnungen. Das Äquivalent der mittleren freien Weglänge, hier also der Abstand zwischen zwei Stellen an denen man Navigieren muss, ist einfach zu gering. Alle paar hundert Meter muss ich mich neu orientieren: Es geht vom Radweg auf die Fahrbahn, es geht wieder zurück, die Radroute wird durch Nebenstraßen verschwenkt, ich muss langsam durch ein Drängelgitter fahren. Die Distanzen sind fest. Wenn ich also sportlich schnell fahren möchte, so ist die Zeit zwischen diesen Punkten geringer. Ich habe ebenfalls weniger Zeit um die Situation zu verstehen. Und gerade weil die Radverkehrsführung nicht einheitlich und einfach ist, kostet das ziemlich viel Denkleistung.

Wenn ich mal mit dem Auto eine weite Strecke fahre, so sagt die Navigation teilweise »dem Straßenverlauf 21 km folgen«. Das ist mit dem Fahrrad komplett undenkbar. Wenn ich von Beuel-Mitte bis nach Sankt Augustin einfach der B56 folgen wollen würde, dann sieht das auf der Karte nach einer sauberen Sache aus:

Es ist etwas, das man ganz einfach erklären kann. Es ist auch gut ausgeschildert. Aber für Radfahrer ist es nicht so einfach. So hat man in Bechlinghoven dann ein Problem und darf nicht mehr weiter der B56 folgen. Es steht dort nur ein Schild »hier nicht Radfahren«. Ich muss dann anhalten, auf die Karte schauen und herausfinden, wie ich als nächstes Fahren kann. In diesem Fall muss man rechts abbiegen, dann ohne Aufstellfläche die Fußgängerampel nach links überqueren und auf der Gegenseite fahren. Später dann über die bekloppte Ampel an der Reinold-Hagen-Straße:

Wenn ich gerade mit 30 km/h unterwegs ist, so muss ich dort erstmal pausieren. Ich komme ständig aus dem Fluss heraus. Natürlich habe ich inzwischen einige Strecken, an denen ich mich auskenne. Aber die sind nie lange zusammenhängend. Entweder warte ich lange an Ampeln, vertrödele Zeit mit der Karte oder halte die ganze Zeit Ausschau nach Hinweisen für die Radverkehrsführung. Die Schilder sind nämlich auch alle deutlich kleiner als die für den Autoverkehr. Daher kann man sie erst kurzfristiger Lesen und nicht bei hohen Geschwindigkeiten verarbeiten.

Da ich gerne Ausdauersport mit halbwegs hoher und vor allem kontinuierlicher Intensität betreiben würde, habe ich dem Joggen nochmal eine Chance gegeben. Ich hatte das noch aus der Schulzeit in Erinnerung und da war ich furchtbar schlecht. Nach kürzester Zeit hatte ich Seitenstechen, einen verspannten Nacken oder Schmerzen in den Füßen. Inzwischen bin ich viel fitter und hatte alle diese Probleme nicht mehr.

Vor allem aber war es viel entspannter bezüglich der Navigation. An den meisten großeren Straßen gibt es Fußwege. Diese sind baulich getrennt, genauso wie ich die Radwege gerne hätte. Ich kann dort Joggen und mir ziemlich sicher sein, dass ich nicht von Autofahrern touchiert werde. Und ich kann einfach in jede Nebenstraße und Sackgasse reinlaufen, schließlich ist wenden und zurücklaufen kein Problem, dabei verliere ich kein Tempo. Mit dem Fahrrad macht das überhaupt keinen Spaß. Ich kann auch direkt ab der Haustür anfangen zu Joggen, ich muss nicht erst irgendwo aus dem Wohngebiet raus in die Natur bevor ich meine Ruhe habe. Die Gehwege fangen direkt an.

Die Radsportler fahren aus genau diesem Grund auch auf Landstraßen. Dort haben sie immer ein paar Kilometer am Stück, müssen nicht so viel Nachdenken und können einfach fahren. Dazu ist die Oberflächenbeschaffenheit in der Regel auch besser als die Radwege, sodass hohe Geschwindigkeiten möglich sind. Der Preis sind allerdings die ganzen knappen Überholmanöver, denen man dort ausgesetzt ist. Man muss also irgendwie darauf achten, dass man nicht überfahren wird. Das stresst.

Weil ich beim aber beim Joggen nicht ständig auf unachtsame Autofahrer achten muss, kann ich dabei auch Musik hören. Ich könnte sogar meine Kopfhörer so einstellen, dass Umgebungsgeräusche unterdrückt werden. Damit stinkt es an vielbefahrenen Straßen zwar weiterhin, aber ich kann so dem ewigen Lärm direkt ab Haustür entfliehen. Auf den Radtouren konnte ich das meist nicht so recht. Auf einer Tour um die Talsperre herum gab es zwischen Pohlhausen und Neunkirchen außer der Bundesstraße keine Möglichkeit. Ich habe versucht es die Strecke möglichst kurz zu halten, aber so ganz ging es eben nicht. Und auch auf den Felwegen war die Bundesstraße konstant zu hören.

Und das System gibt es letztlich überall. Selbst wenn man etwas aus der Stadt raus ist, gibt es noch immer mindestens eine fette Straße in der Nähe, die man hören kann. Und noch weiter raus kann ich mit dem Fahrrad nicht fahren, sonst wird die Tour zu lang.

Aber beim Joggen kann ich einfach die Kopfhörer aufsetzen, den Umgebungslärm ausblenden lassen und ganz friedlich auf den Gehwegen Sport machen. In den Wohngebieten gibt es keine Ampeln, und ich muss auch nicht ständig die Straßenseite wechseln. Bei Einmündungen muss man aufpassen, aber das geht ziemlich einfach bei den niedrigen Geschwindigkeiten.

Perverserweise sind auf den Gehwegen meist keine anderen Leute unterwegs, die fahren alle mit dem Auto. Einzig die zugeparkten Gehwege stören mich. Wenn ich aber alleine unterwegs bin, ist selbst das nicht so nervig wie sonst.

Innerhalb von einer Stunde kann ich mich hier einmal durch die Wohngebiete schlängeln, fühle mich danach angenehm fertig und glücklich. Für die höhere Trainingsintensität ist das wirklich cool! Ich werde weiterhin Erledigungen und Tagestouren mit dem Fahrrad machen, aber das nur mit geringer Intensität. Die Radverkehrsführung ist einfach zu schlecht als dass ich darauf ernsthaft Sport machen wollte.