IQ Test Zahlenfolgen

Ich finde IQ-Tests generell eher suspekt, aber bei den Zahlenfolgen ist es einfach komplett vorbei. Ein so ein Beispiel für eine Zahlenfolgen ist diese hier:

8, 11, 15, 19, 24, 29, 35.

Welche Zahl kommt als nächstes? Man muss jetzt also Regelmäßigkeiten finden, damit man das irgendwie lösen kann. Ein guter Anfang ist immer sich die Differenzen aus den Zahlen anzuschauen. Da haben wir diese Folge:

3, 4, 4, 5, 5, 6.

Vielleicht ist das so gemeint, dass man immer die Differenzen zweimal nutzt, und sie dann um eins größer werden? Somit wäre die nächste Zahl dann also um 6 größer als 35, die Lösung also 41. Laut IQ-Test ist das auch die richtige Lösung. Aber ist das auch die einzige Möglichkeit?

Man kann in der Online-Enzyklopädie der Zahlenfolgen suchen und findet dann drei unterschiedliche Zahlenfolgen, die sich aus vier unterschiedlichen Vorschriften ergeben. Alle haben die gegebenen Ziffern gemeinsam. Zum Vergleich erzeuge ich so ungefähr 50 Zahlen aus der Folge mit der gefundenen Vorschrift. Dann können wir uns das ganze einmal grafisch darstellen:

Man sieht, dass die Folge aus dem IQ-Test gerade der Folge A024206 entspricht. Diese ist auch gleich Folge A078126, die ich nicht noch mit abgebildet hatte. Es gibt aber noch zwei andere Folgen, die andere weitere Zahlen haben. Interessanterweise ist bei allen die die 41 auch enthalten, die Aufteilung kommt erst später.

Meine Erklärung oben mit der Zahlenfolgen scheint also irgendein Muster zu bedienen, das es auch noch an anderen Stellen der Mathematik gibt. OEIS gibt als Bezeichnung für Folge A024206 an, dass es die Expansion von folgendem Ausdruck sei: $$ x^2 \frac{1 + x - x^2}{(1 - x^2) (1 - x)^2} $$

Mir ist nicht ganz klar, was hier mit »Expansion« gemeint ist. Eine Taylor-Reihe um einen gewissen Wert von $x$? Eine Partialbruchzerlegung für einen festen Wert von $x$?

Gegeben werden auch noch andere Erklärungen, wie man auf diese Zahlen kommen könnte. Und zwar ist das $n$-te Glied der Folge die Anzahl (abzüglich Permutationen) der Binärmatrizen der Größe $2 \times n$, in denen es es keine Reihe oder Spalte mit Nullen gibt. Da könnte man alle derartigen Matrizen erzeugen und prüfen, wie viele es davon gibt.

Es gibt noch viele weitere Vorschriften, die zu dieser Folge führen. Keine dieser Vorschriften ist etwas, was man in unter einer Minute bei einem IQ-Test finden würde. Das, was man dort finden könnte, ist also nur die Heuristik für den Abstand zwischen den einzelnen Folgengliedern.

Das Problem ist aber, dass es eben noch die anderen Folgen gibt. Und wenn man sich dort die Abstände anschaut, so verändern die sich eben mit der Zeit. Wenn wir A024206 nehmen, so sind die Abstände diese hier:

3, 4, 4, 5, 5, 6, 6, 7, 7, 8, 8, 9, 9, 10, 10, 11, 11, 12, 12, 13, 13, 14, 14, 15, 15, 16, 16, 17, 17, 18, 18, 19, 19, 20, 20, 21, 21, 22, 22, 23, 23, 24, 24, 25, 25, 26, 26, 27, 27, 28, 28, 29, …

Das ist das Muster, das wir aus den Daten gut ablesen konnten. Und unter der Annahme, dass es nur dieses Muster ist, haben wir es fortgesetzt. Aber in A131073 stecken dann diese Abstände:

3, 4, 4, 5, 5, 6, 6, 7, 7, 7, 7, 7, 7, 8, 8, 8, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 10, 10, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 12, 12, 12, 13, 13, 13, 13, 14, 15, 15, 16, 17, 17, 17, 17

Die natürliche Frage ist direkt, warum die 7 da plötzlich so häufig vorkommt. Schaut man sich die Definition der Folge A131073 an, so ist das:

$a(1)=2$. $a(n) = a(n-1) + (\text{number of terms, from among terms $a(1)$ through $a(n-1)$, which are prime})$.

Das bedeutet also, dass das erste Folgenglied eine 2 ist. Und das nächste Folgenglied ist die vorherige Zahl, plus die Anzahl der bisherigen Folgenglieder, die Primzahlen sind. Das können wir dann einmal durchgehen.

  1. Wir starten mit einer 2.
  2. Nun nehmen wir die erste Zahl (2) und schauen uns an, wie viele Primzahlen es von der ersten (2) bis zur vorherigen (2) Zahl gibt. Das ist 1, weil 2 eine Primzahl ist. Dies addieren wir drauf, und haben eine 3.
  3. Zwischen 2 und 3 gibt es zwei Primzahlen. Addiert auf die vorherige Zahl erhalten wir 5.
  4. Zwischen 2 und 5 gibt drei Primzahlen, nämlich 2, 3, 5. Auf die vorherige Zahl addiert gibt das 8.
  5. Wir haben keine neue Primzahl bekommen, also addieren wir wieder nur eine 3 und erhalten 11.
  6. Die 11 ist jetzt eine Primzahl, also addieren wir 4 und erhalten 15.
  7. 15 ist keine Primzahl, also wieder nur eine 4 und wir erhalten 19.
  8. 19 ist eine Primzahl, also addieren wir jetzt 5 und erhalten 24.

Das ist eigentlich eine ganz hübsche Vorschrift. Für primzahlenaffine Personen mag das vielleicht sogar halbwegs naheliegend sein.

Die Folge A213706 besteht aus den Partialsummen (Summen von 1 bis zum $n$-ten Element) der Folge A071542. Damit ist die Folge A213706 die Reihe zur Folge A071542. Jene ist definiert als:

Number of steps to reach 0 starting with $n$ and using the iterated process: $x \to x - (\text{number of 1's in binary representation of $x$})$.

Auch das ist eine legitime Vorschrift. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob das immer terminieren würde. Anscheinend klappt das aber.

Wir haben also viele verschiedene legitime Wege, wie man die die Zahlenfolge fortsetzen könnte. Welcher dieser Vorschriften einen am meisten anspricht, ist willkürlich. Das Problem ist mathematisch nicht klar definiert, die Lösung ist nicht eindeutig. Und damit ist es keine sinnvolle mathematische Fragestellung. Es ist, überspitzt formuliert, analog zur Frage nach einer Lösung von $x \cdot 0 = 0$. Jeder Wert von $x$ löst diese Gleichung. Somit wäre also jede Antwort korrekt. In den IQ-Tests wird aber davon ausgegangen, dass es eine “einfachste” oder “offensichtliche” Lösung gibt. Und damit haben wir dann Subjektivität da drin, die in einen Test auf mathematische Fähigkeiten einfach nicht reingehört.