»Ich knall' dir gleich eine!«

Die Tage hatte ich eine extrem unangenehme Situation. Ich ging auf einem schmalen Gehweg entlang einer Hauptstraße. Jemand parkte dann sein Wohnmobil komplett auf dem Gehweg. Ich holte das Handy raus, um ein Foto davon zu machen. Der Fahrer kam wutentbrannt auf mich zu. Schrie mich an, was mir einfallen würde, ein Foto von seinem Auto zu machen. Er kam mir immer näher, es war richtig bedrohlich. Um die Situation nicht weiter zu eskalieren, bin ich dann langsam rückwärts gegangen, er mir immer weiter hinterher.

Um den Abstand zu wahren, hielt ich meine flache Hand nach vorne. Er lief dann dagegen und zeterte herum, was ich ihn anpacken würde. Vor seinen Kindern! Und dass er mir gleich eine knallen würde. Ich rief dann den Notruf (110) an. Während der Fahrer mich immer weiter anschrie, versuchte ich dem Disponenten die Adresse zu geben. Er hörte sich das ganze an, und irgendwann hatte der Fahrer mich bis zur nächsten Straßenecke getrieben. Dann schien es ihm zu blöd zu werden, und er ging zum Wohnmobil zurück. Der Disponent frage mich dann, ob ich noch Hilfe bräuchte. Er hatte also noch keine Streife losgeschickt.

Ich bin dann einen anderen Weg weiter gegangen, den Typ brauchte ich nicht direkt noch einmal. Den Disponenten habe ich noch gefragt, wann die Polizei denn kommen würde. Er bot an, dass noch die Polizei kommt und das ganze aufnimmt. Aber so richtig begeistert schien der auch nicht. Ich habe dann irgendwann das Gespräch beendet, da wäre auch nichts mehr bei herumgekommen.

Zuhause habe ich dann mal meine Anwältin angerufen. Sie hatte mich vor einem Jahr bei dem Strafverfahren wegen Abdrängen vertreten. In einem kurzen Gespräch hat sie mir geraten nichts weiter zu tun. Und zwar sei das alles strafrechtlich nicht wirklich relevant gewesen. Und ganz pedantisch gesehen ging der Körperkontakt vielleicht sogar von mir aus. Somit wäre ich dann der mit dem größeren Problem. Zudem wird der Beschuldigte direkt einen Anwalt einschalten, der ihm zu einer Gegenanzeige raten würde. Das ganze würde dann auf meiner Seite auch eine anwaltliche Vertretung ratsam machen, und wieder Kosten auslösen. Am Ende wird es wohl einfach wieder eingestellt, so wie vor einem Jahr. Auch von einer Anzeige über das Ordnungsamt hat sie mir abgeraten. Solche Typen lauern manchmal dann mit Kumpels irgendwem auf, und das wäre ein Risiko, zu dem sie mir nicht raten würde.

Wir haben noch ein bisschen über die generelle Situation gesprochen, und wie man sich noch nicht mal mehr traut jemanden im Bus auf seine schlecht sitzende Maske anzusprechen. Der Ton sei ziemlich rau geworden. Und auch wenn nur sehr wenige Leute dann ausrasten, so sei das persönliche Risiko ziemlich groß. Und der Gewinn ist sehr gering. Es lohne sich nicht, sagte sie.

Reflexion und Ausblick

Ich habe das als Gelegenheit genommen um einmal mein Engagement bezüglich Verkehrswende zu überdenken. Im Groben sehe ich zwei Wege, etwas zu erreichen: Die Politik und das Recht. Politik liegt mir nicht so wirklich, das ist so schwammig und wenig planbar. Verwaltungsrecht ist dröge, allerdings kann man da klar Vorschriften finden, um Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr zu erreichen. Zum Beispiel kann man so Nutzungspflichten entfernen lassen. Das sind aber meist nur Kleinigkeiten.

Möchte man im größeren Stil etwas ändern, ist man vom guten Willen von der Verwaltung abhängig. So ist bei der ständig zugeparkten Max-Bruch-Straße nichts zu machen. Es ist super frustrierend, dass der Ordnungsdienst hier nicht für freie Wege sorgt. Immerhin der Parkplatz im Kreuzungsbereich wurde entfernt. Generell hängt es da aber an Dingen, die ich nicht direkt beeinflussen kann.

Dann, auch im Bereich Recht, kann man über den Bußgeldkatalog Gehwege befreien. So kann man den Ordnungsdienst Fahrzeuge abschleppen lassen, was allerdings immer ein bisschen Zeit in Anspruch nimmt. Außerdem kommt der Ordnungsdienst nicht immer, schleppt nicht immer ab oder verwarnt nur mündlich. Zudem scheint der Ordnungsdienst nur wenige Streifen in Wohngebieten zu fahren. Die Fahrradstaffel ist seit Jahren angekündigt, bis jetzt aber noch immer nicht aktiv. Das Ordnungsamt kommt meist nur, wenn man es ruft.

Als Bürger kann ich auch die Möglichkeit der Privatanzeige nutzen. Damit habe ich schon einen Gehweg befreit. Der Haken dabei ist allerdings, dass meine Adresse dann einsehbar ist, wenn auch inzwischen nicht mehr im Anhörungsbogen. Mit Privatanzeigen kann man letztlich beliebige Mengen falsch geparkter Autos abarbeiten. Das Problem ist allerdings, dass man dann eben persönlich involviert ist. Und wie bei dem jüngsten Ereignis birgt das auch ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass eine Situation eskaliert. Ich hatte schon einige derartige Situationen, aber noch nie so krass. Einmal schickte mir jemand anonym E-Mails, das konnte ich noch ganz gut ignorieren. Dann war da einer, der mich wüst beleidigt hatte, aber nicht handgreiflich geworden ist. Und eine, die 30.000 EUR Stellplatzablöse bezahlt hatte und glaube, damit das Recht auf Gehwegparken gekauft zu haben. Eine andere fand es okay, dass sie ein Bußgeld bekommt, aber die Fotos ihres Autos dürften nicht im Internet erscheinen.

Dazu kommen noch Probleme mit dem Datenschutz, durch den sich die Verkehrspolizei manchmal ihrer eigentlichen Aufgabe entzieht. Auch das ist frustrierend. Teilweise wird darauf verwiesen, dass eben die Kontrolle hoheitliche Aufgabe sei. Ich bin aber frustriert, weil die Polizei und der Ordnungsdienst diese Aufgabe aus meiner Sicht in unzureichender Häufigkeit wahrnehmen. Daher auch der Versuch, dies mit Privatanzeigen selbst zu machen.

Die Verkehrswende wird noch ein Thema für Jahrzehnte sein. Ich bin es leid, nicht nebeneinander auf Gehwegen gehen zu können, weil diese zugeparkt sind. Wenn ich irgendwann einen Kinderwagen schiebe, wird es mühsam werden. Mit Kindern Fahrrad auf dem Gehweg fahren wird auch eine Herausforderung werden. Wenn ich irgendwann gebrechlich bin und einen Rollator nutze, würde ich mich über abgesenkte Bordsteinkanten freuen. Es ist aber ein Kampf gegen Windmühlen, und teilweise auch ziemlich aggressive Windmühlen.

Meine Kraft muss ich mir einteilen, und auch abwägen, wie viel Effektivität ich habe, und was das Risiko dabei ist. Und bei den Privatanzeigen tut es zwar gut, sich abstrakt wehren zu können, das Risiko ist allerdings schon greifbar. Der Effekt ist recht gering, für die Arbeit, die es ist. Ich werde da jetzt eine Pause machen und schauen, in wie vielen Monaten die befreite Straßenecke wieder zugeparkt ist. Meine Kraft werde ich weiterhin einsetzen, um Verbesserungen im Kontakt mit der Stadtverwaltung zu erreichen. Insgesamt erscheint mir das so eine bessere Aufteilung als aktuell.