Helmfrisur-Kampagne der Verkehrswacht
Ich sah neulich ein Plakat der Verkehrswacht zum Thema Helmfrisur. Irgendwo finde ich die Botschaft gut, andererseits auch nicht.
Die Deutsche Verkehrswacht ist eine Bürgerinitative, die sich füë die Sicherheit im Straßenverkehr einsetzt. So beschreiben sie sich selbst:
Die Deutsche Verkehrswacht (DVW) ist eine der ältesten und größten Bürgerinitiativen Deutschlands. Am 3. November 1924 als „Auto-Wacht“ in Berlin gegründet, wurde sie während der Zeit des Nationalsozialismus verboten und am 13. Dezember 1950 in Bonn neu gegründet. Die DVW arbeitet überparteilich.
Seit Beginn ihres Bestehens gilt ihr Engagement der Verkehrsaufklärung und Bildung der Verkehrsteilnehmer. Während in den 1920er Jahren die Aufmerksamkeit vor allem auf den Autoverkehr gerichtet war, der gerade die Straßen eroberte und die Pferdekutschen verdrängte, nimmt die Verkehrswacht heute das Interesse aller Verkehrsteilnehmer wahr und engagiert sich für die Gestaltung sicherer Mobilität.
An sich finde ich das Anliegen wunderbar. Bei den Schwerpunkten und Methoden bin ich allerdings nicht so ganz überzeugt. Ein wichtiger Punkt ist das Werben für Fahrradhelme, zum Beispiel mit der Kampagne Ich trag' Helm oder eben Plakaten wie diesem:
Ich trage ja selbst Helm, man kann mich hier im Blog auch in diversen Artikeln mit Helm finden (Beispiele eins, zwei und drei). Ich hatte schon ein paar Unfälle und erkenne die Schutzwirkung im gewissen Rahmen an.
So hatte ich in der dritten Klasse einen sogenannten Alleinunfall. Ich war mit meinem hippen Metall-Klapptretroller auf dem Schulweg unterwegs. Damit bin ich auf nassem Laub ausgerutscht und gestürzt. Einen Helm trug ich nicht. Pflichtbewusst bin ich zur Schule weitergefahren, war wohl aber kreidebleich. Dort schickte man mich wieder nach Hause. Zuhause übergab ich mich, die Hausärztin diagnostizierte eine Gehirnerschütterung. Den Daumen hatte ich mir auch gebrochen. Ich war drei Tage im Krankenhaus zur Beobachtung. Es ist nichts bleibendes passiert, jedoch hätte ein Helm die Schwere wohl durchaus abgemildert.
Dann hatte ich noch einen weiteren Alleinunfall an einem Schotterweg. Ich habe zu schnell die Kurve genommen und bin weggerutscht. Das Knie habe ich mir aufgeschürft, mit dem Helm habe ich allerdings nicht den Boden berührt. Hier hätte ich den Helm also nicht wirklich gebraucht. Geschadet hat er da nicht.
Einmal habe ich mit dem Kinderfahrrad einen Bordstein in einem zu spitzen Winkel befahren wollen, da bin ich auch gestürzt. Ich bin trug einen Helm und war dankbar dafür, aber so richtig erinnern kann ich mich nicht. Wahrscheinlich so ein typischer Fall wo man als Kind eben ständig umfällt aber nichts passiert. Da hat der Helm jedenfalls auch ein bisschen geschützt.
Für mich persönlich ist die Sache klar, daher kaufe ich auch regelmäßig neue Helme. Und ich trage sie auch gerne, schon alleine wegen dem Sonnenschirmchen. Ich habe allerdings auch eine typische Kurzhaarfrisur, der der Helm nichts anhaben kann.
Das ist nicht bei allen Personen so. Gerade Frauen tun sich eher schwer damit eine sinnvolle Frisur unter dem Helm zu erhalten. Der Fahrtwind macht es ebenfalls schwerer. Und auch Helme mit Zopfaussparung passen nicht so wirklich gut. Hier versucht die Verkehrswacht mit der Kampagne mehr Kompromissbereitschaft zu fördern. Für die Personen einerseits, und vielleicht auch für die Gesellschaft andererseits. Wenn wir akzeptieren, dass Leute mit Helmfrisur auf der Arbeit erscheinen, so kommen wir vielleicht auch mit der Verkehrswende weiter.
Schaut man sich die Artikel zur Fahrradhelmen einmal an, findet man dort die typischen Argumente. Helme schützen besser als kein Helm. Auch wird überbewertet dass man dann knapper überholt wird oder selbst risikoreicher fahren würden. Bei den ausgewählten Studien finde ich es immer etwas schwierig. Die Studien werden immer so ausgelegt, dass Fahrradhelme schützen. Das stimmt wohl auch. Allerdings muss man immer schauen, welche Gruppe man anschaut und was die Vergleichsgruppe ist. Ich frage mich zum Beispiel, was man lernt, wenn man sich gerade die Gruppe der Schwerverletzten anschaut und dann guckt, wie viele von denen einen Helm trugen. Es kann ja diverse Gründe geben, warum die einen schweren Unfall hatten. Und ob der Helm da irgendwie etwas verzerrt.
Was sie nämlich nicht schreiben sind eben jene Studien die zeigen, dass eine Helmpflicht die Anzahl der Personen auf der Straße reduziert, siehe zum Beispiel den Artikel vom Spiegel. Dann sind weniger Leute mit dem Fahrrad gefahren, die Anzahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen stieg. Im gleichen Artikel wird von einer kanadischen Studie erzählt, bei der die Helmpflicht nicht die Anzahl der schweren Unfälle reduziert hat. Allerdings ist die Gesamtanzahl an Unfällen auch heruntergangen, unabhängig von der Helmpflicht. Das könnte an Infrastruktur liegen. Die Datenlage wirkt aber nicht sonderlich robust.
Davon ab kann man sich durchaus fragen, ob das Beschäftigen mit Helmen wirklich der richtige Weg ist. Fahrradhelme sind nur für Alleinunfälle konzipiert, Unfälle mit Kraftverkehr können die gar nicht abfedern. Und es erscheint mir sinnvoller in die Infrastruktur zu investieren, als dass sich jeder mit einem Helm zu schützen versucht, der aber gar nicht krasse Unfälle verhindern kann. Der Helm ist passiver Schutz, Infrastruktur ist aktiver Schutz. Auch dass die Autos immer größer und schwerer werden hilft nicht, die Helme kommen da nicht mit.
Bei der Verkehrswacht sehe ich aber eher die Strategie, dass sie die Opfer über die Gefahren des Autoverkehrs aufklären wollen. Änderungen an der Gefährlichkeit des Autoverkehrs nehme ich nicht wahr. Siehe zum Beispiel den Artikel zu Unfallzahlen nach Corona. Es geht darum, dass viele Leute zu Fuß oder mit dem Rad tödlich verunglücken. Die Verkehrswacht will hier was tun. Im Artikel kommt das Wort »Auto« kein einziges Mal vor. Aber woher kommen denn die tödlichen Unfälle? Ich wüsste nicht, wie sich Radfahrende untereinander tödlich verletzten könnten, außer in pathologischen Ausnahmesituationen. Das Problem ist der Autoverkehr.
An sich finde ich das Konzept der Verkehrswacht nicht verkehrt. Man kann die Welt nicht komplett ändern, aber man kann den potentiellen Opfern helfen die Gefahren zu vermeiden. Aber dann muss noch viel mehr daran gearbeitet werden, die Gefahren selbst abzustellen. Und davon bekomme ich nichts mit.
Und die Helmfrisur-Kampagne ist ähnlich. An sich eine gute Sache, aber gefühlt auch wieder nur ein Element von vielen weiteren.