Hass gegen Radfahrer:innen

Die Reaktionen auf eine getötete Radfahrerin, den Umgang der Polizei mit gefärdend geparkten Fahrzeugen an der gleichen Stelle und die Reaktion eines Polizisten lassen in einen tiefen Hass gegenüber Radfahrer*innen blicken.

Im Straßenverkehr scheinen die negativen Emotionen bei vielen Leuten ziemlich nah an der Oberfläche zu sein. Man fühlt häufig die Aggressivität und Wut, insbesondere wenn das Wetter schlecht ist. Leute sind gestresst und nicht bereit etwas Geduld aufzubringen.

Generell scheint es viele Autofahrer*innen zu geben, die auf Twitter oder Facebook ihren offenen Hass gegenüber Radfahrer*innen zur Schau stellen. Man kann ja durchaus andere Ansichten bezüglich Verkehrspolitik haben. So kann man mehr Autobahnen, mehr Fahrspuren und mehr Parkplätze fordern. Man kann es schlecht finden, wenn Fahrspuren in exklusive Radwege umgewandelt werden. Man kann den Wegfall von Parkplätzen bedauern. Ich sehe das alles anders, aber das ist okay. Mit manchen Leuten kann man diskutieren. Manche Leute haben ihre Meinungen nicht durchdacht, fordern weniger Autos, wollen ihres aber nicht hergeben.

Jetzt gab es in Berlin mal wieder einen Unfall, eine Radfahrerin wurde getötet. Das ganze passierte auf der Frankfurter Allee. Dort gibt es einen Radfahrstreifen, der auf einer ehemaligen Fahrspur aufgemalt worden ist. Autofahrer*innen sehen das als Eingriff in »ihren« Raum, vergessen dabei aber, dass er ihnen vorher gar nicht exklusiv gehört hatte. Auf den Fahrstreifen hätten die ganzen Zeit vorher auch Radfahrer*innen fahren dürfen. Weil die Autofahrer*innen aber nicht die nötige Rücksicht an den Tag gelegt hatten, wurde dieser Raum den Radfahrer*innen exklusiv zugesprochen. Am Unfalltag parkte mal wieder jemand ein Auto auf diesem Radweg. Die Radfahrerin wich auf die anderen Fahrstreifen aus und wurde von hinten totgefahren.

Nach StVO ist das ganz einfach: Autofahrer*innen dürfen nicht auf Radwegen und Radstreifen fahren oder halten. Der Lieferwagen hätte dort einfach nicht stehen dürfen. Dem Verordnungsgeber ist klar, dass eine derartige Behinderung gefährlich ist. Die Polizei und Ordnungsämter fühlen sich aber nicht bemüßigt diese Gefährdungen zu entfernen. Abschleppen wird als »unverhältnismäßig« bezeichnet. Entsprechend im Recht fühlen sich Autofahrer*innen, die »nur mal kurz« auf dem Radweg halten.

Andere Radfahrer*innen haben an der Unfallstelle ein Ghostbike aufgestellt. Das ist ein weiß angemaltes Fahrrad, das an die getötete Radfahrerin erinnern soll. Somit werden Unfallopfer sichtbar gemacht. Und niemand geringeres als die Berliner Polizei hielt die Tage auf dem Radstreifen, exakt dort, wo der Lieferwagen am Unfalltag stand. Auf diese Dreistigkeit angesprochen, sagte ein Polizist, dass die Radfahrer doch ausweichen sollen. Und dass die getötete Radfahrerin selbst schuld sei, sie hätte halt besser schauen müssen. Mich und viele andere Radfahrer*innen hat das komplett fassungslos gemacht. Die Polizei Berlin anscheinend auch, die arbeiten das auf. Das ganze hat auch die Presse aufgegriffen, zum Beispiel Tag 24.

In den Kommentaren zu dem Video und der Stellungnahme der Polizei kann man diverse Kommentare von Autofahrer*innen lesen. Die schlagen häufig in die gleiche Kerbe, die der Polizist schon gewählt hat. Die Radfahrer*innen werden als Freiwild dargestellt, lästige Gesetzlose, die dem »echten Verkehr« den Platz wegnehmen. Autofahrer*innen fühlen sich auch häufig von Radfahrer*innen gefährdet. Und somit kann man eine Schadenfreude herauslesen, dass nun jemand tot ist.

Genügend Kommentator*innen machen auch keinen Hehl daraus, dass sie mit ihrem Auto gerne eine Radfahrer*in anfahren würden. Sie schreiben, dass ihr Auto bei einem Unfall »gewinnen« würde. Und dass die Radfahrer*innen schon lernen würden sich unterzuordnen. Es sei lästig, wenn man irgendwo wegen Radfahrer*innen warten müsste. Dass die gleichen Leute teilweise endlos im Stau stehen, sehen sie nicht. Die anderen Autos sind ja »Verkehr«. Und es würde sich ja nur stauen, weil man den Radfahrern Platz geben würde.

Diese Entmenschlichung macht mir wirklich Angst. Ich sehe inzwischen auch davon ab, irgendwelche Autofahrer anzusprechen. Der heftigste Fall endete mit einem Strafverfahren wegen Nötigung gegen den Autofahrer, das jedoch eingestellt worden ist. Der Hass scheint so tief zu sitzen, dass man da gerade als jemand aus der gehassten Gruppe nichts erreichen kann.

Ich wüsste zu gerne, woher dieser ganze Hass kommt. Haben die Leute alle eine Geltungssucht durch irgendwelche Erlebnisse in der Kindheit? Macht Autofahren generell aggressiv und manche Leute haben keinen Ausgleich?