Greifbare Verzweiflung auf dem Immobilienmarkt

Die Verzweiflung Wohnraum für eine Familie zu finden ist im Markt greifbar. Ein paar Eindrücke.

Unglaublich viele Leute und insbesondere Familien suchen Wohnraum. Das Angebot kann die Nachfrage kaum decken. Dieser Überhang an Interessenten führt zur Verzweiflung.

Vielleicht haben gerade durch die Pandemie viele Leute das Arbeiten von Zuhause aus schätzen gelernt. Oder sie hätten jetzt gerne einen Garten. Die Nachfrage nach Zimmern und Platz steigt jedenfalls. In den neuen Häusern sinkt allerdings die Anzahl der Zimmer, während jedes Zimmer größer wird. Die Küche kommt ins Wohnzimmer, Arbeitszimmer gibt es nicht mehr. Falls doch, sind es sehr große Häuser, die entsprechend sehr teuer sind.

Beim Immobilienportal findet man diverse Angebote, allerdings kommen pro Tag nur relativ wenige neue Angebote hinzu. Auf dem Markt bewegt sich nicht viel. Einige Angebote werden schon deaktiviert, bevor man eine Nachricht schreiben kann. Telefonnummern werden gar nicht mehr angegeben. Meist bekommt man gar keine Antwort. Manche Leute kaufen die Häuser blind, ohne die zu besichtigen. Derart verzweifelt sind sie.

Bei den Portalen kann man noch eine teure Premiummitgliedschaft abschließen. Damit hat man dann ein paar mehr Einblicke in die Daten und kann vor allem sehen, wie viel Konkurrenz besteht. Manchmal antworten die Makler auch nur jenen Leuten, die diese Premiummitgliedschaft haben. Es ist die gleiche Abzocke von Sehnsüchten wie beim Online-Dating. Die Anbieter der Plattformen können zwar nur die Plattform anbieten, tun aber so als würden sie das Glück des Eigenheims verkaufen. Genauso wie die Datingplattformbetreiber so tun, als könnte man durch das Abo bei ihnen der großen Liebe systematisch näher kommen.

In vielen Exposés steht gar keine genaue Adresse. Die Verkäufer sollen wohl vor unangemeldeten Besuchen geschützt werden. Allerdings macht es mir das ganze schwerer einzuschätzen, ob die Lage in Frage kommt. Die Angabe "nur Minuten bis zur Autobahn" hilft mir herzlich wenig, da ich Wert auf fußläufige Erreichbarkeit des täglichen Bedarfs lege. Sind Fotos von außen enthalten, kann ich meist mit dem Bildmaterial von Google und der Stadt Bonn herausfinden, welches Haus es exakt ist. Und in vielen Fällen ist es dann schon direkt raus.

Der Großteil der Häuser, der verkauft wird, liegt in der Nähe von Fernstraßen, Durchgangsstraßen oder im Nirgendwo. Alles das ist nicht interessant. Teilweise wissen die Leute das wohl auch. So hatte ich ein Haus gesehen, das wirklich gut aussah. Auf dem Außenfoto sah man einen kleinen Weg, es wirkte sehr beschaulich. Blöd nur, dass es direkt neben Straßenbahn lag, also direkt auf der anderen Seite des Weges ein Zaun und die Schienen waren. Man wird die Bahn also immer hören. Und die Autobahn war auch direkt hinter dem Garten. Und die dritte Flanke ist die B 56. Ne, das brauche ich nicht.

Ein weitere Dreistigkeit ist die Forderung einer Finanzierungszusage, bevor man die Adresse bekommt. So etwas erstellt ein Finanzierungsberater, aber immer einzeln für ein Exposé. Der muss nämlich immer den Beleihwert schätzen und dann von den Banken Konditionen abfragen. Das ist richtig Arbeit für Interessenten. Aber die Makler können das bringen, weil Käufer verzweifelt genug sind um über dieses Stöckchen zu springen.

Aber das ist nicht genug. Verkauft eine Bank oder Bausparkasse die Häuser, soll die Finanzierung doch bitte von ihnen kommen. Das macht die Immobilie effektiv teuer, weil man dann deren Zinsen akzeptieren muss.

Hat man dann einen Termin zur Besichtigung, bekommt man zwanzig oder dreißig Minuten, die man sich dann meist mit einigen anderen Interessenten teilen muss. Die Makler stehen dann meist lieblos herum. Diese Massenbesichtigungen zeigen allen anderen aber auch klar auf, wie viel Konkurrenz es gibt. Womöglich machen die Makler das auch absichtlich, um den Preis zu erhöhen.

Schläft man dann noch eine Nacht darüber, ist es womöglich zu spät. Meist bekommt man ja auch nicht den ersten Besichtigungstermin. Und dann ist das Haus schon auf dem Weg verkauft zu werden. Die Makler lassen die Anzeigen teilweise online, bis das Haus dann auch verkauft ist. Teilweise machen sie auch noch Besichtigungen, bis es beim Notar unterschrieben worden ist. Bei den Besichtigungen wird einem das aber nicht unbedingt gesagt, damit man noch Interesse zeigt. Da ist die Enttäuschung dann programmiert.

Ich denke, dass viele Leute schon seit Jahren nach dem richtigen Haus suchen und in der Zwischenzeit immer mehr Eigenkapital angehäuft haben. Entsprechend der angestauten Verzweiflung ist dann das Geld vorhanden um einen für den Gutachter absurd wirkenden Preis für ein Haus zu bezahlen, nur damit man es endlich hat. Bei mir kommt das auch so langsam. Mit jedem Monat wächst das Eigenkapital ein bisschen an, der immer verzweifeltere Wunsch nach einem Haus ebenfalls. Und so wirken Preise, die ich vor einem halben Jahr noch als "lächerlich hoch" bezeichnet hätte nun als üblich für den aktuellen Markt. Und so wird sich das wohl mit der Zeit immer weiter nach oben verschieben, bis die Hemmschwelle dann überschritten ist.

Die Kehrseite ist, dass es bei jedem Haus wohl eine interessierte Partei gibt, die schon längst diese Schwelle überschritten hat. Da wird dann beim Preis mehr geboten als aufgerufen wird, es wird ein intransparentes Bieterverfahren. Man muss dann souverän auftreten und einen hohen zusätzlichen Betrag in den Raum stellen. Dann hat man vielleicht die Chance den Zuschlag zu bekommen.

Wo wir gerade beim Thema Gutachter waren: Dafür fehlt teilweise schlicht die Zeit. Bis man dann einen Termin mit einem Gutachter und Makler ausgemacht hat, hat jemand anderes vielleicht schon die Finanzierung geklärt und ist auf dem Weg beim Notar einen Vertragsentwurf anfertigen zu lassen. Die Leute sind so verzweifelt, dass sie das auch ohne Gutachter kaufen.

Das, was Häuser laut Banken oder Schätzmodellen wert sein sollen, hat nichts mit der Realität zu tun. Ein Haus, für das wir uns interessiert haben, war laut Gutachter nur 70 % von dem Wert, was als Kaufpreis gefordert war. Verkauft wurde es dann für 94 % des angestrebten Kaufpreises. Die Leute haben also 34 % mehr bezahlt, als laut Gutachter gerechtfertigt wäre. Und das ist dann der Punkt, an dem für mich schlicht das Modell falsch ist und keinerlei Hilfe ist. Der Preis entsteht durch das, was Leute bereit sind zu zahlen. Wenn Leute bereit sind ein Drittel mehr zu bezahlen als das Modell sagt, dann ist das Modell falsch. Man könnte auch sagen, dass die Leute falsch handeln, weil sie ein überteuertes Haus kaufen. Aber entweder zahlt man diesen Preis oder bekommt es nicht. Was will man als Käufer auch anderes machen, wenn man das Haus wirklich will?

Es ist einfach sehr ernüchternd, mehr kann ich dazu nicht sagen.