Geschützte Radwege oder Fahrbahn?

Der ADFC hat das Ziel, eine Fahrrad-Infrastruktur zu schaffen, auf der Radfahren vom 8. bis 80. Lebensjahr gut funktioniert. Es soll also inklusiv sein, und sicher für alle Altersgruppen. Dies bedeutet, dass dann getrennte Radwege geschaffen werden sollen, damit die Radfahrenden konfliktfrei unterwegs sein können.

Die Gegenbewegung sind Leute, die das vehicular cycling, also das Radfahren wie ein Auto, besser finden. Die Idee ist, dass die aktuelle Infrastruktur ja super für den Autoverkehr ausgebaut ist. Nach StVO ist ein Fahrrad auch nur ein Fahrzeug, darf diese Infrastrkutur also genauso auch nutzen. Es gibt einige Vorteile von dieser Fahrweise:

  • Auf den breiten Fahrstreifen kann man wunderbar überholen. Schnelle Radfahrende müssen nicht hinter langsamen Radfahrenden warten. Jeder kann die Geschwindigkeit fahren, die angenehm ist.

  • Kreuzungen werden wie von Autos befahren. Man steht also entweder vor oder hinter anderen Fahrzeugen (insbesondere LKW) und wird so nicht durch rechtsabbiegende Fahrzeuge überfahren.

  • Die Fahrbahnqualität ist in der Regel deutlich über der von baulich getrennten Radwegen: Keine Absenkungen an Einfahrten, keine Gehwegplatten, keine Wurzelaufbrüche.

Ich bin in der Regel auch schnell unterwegs, zwischen 25 und 35 km/h. Damit kann ich recht gut auf der Straße im Autoverkehr mitschwimmen, werde aber trotzdem noch immer wieder überholt. Mir sind die vorgeschriebenen Abstände zu parkenden Autos bewusst, sodass ich mir da meinen Platz nehmen kann. Und wenn mich Autofahrende zu knapp überholen, dann sage ich denen an der nächsten Ampel auch mal meine Meinung dazu. Auf Twitter tausche ich mich mit anderen Radfahrenden aus, und bin recht selbstbewusst auf den Straßen unterwegs. Auf schmalen Radwegen nervt es mich immer wieder, wenn ich nicht überholen kann.

Nun bin ich aber einige Male mit weniger erfahrenen Radfahrenden gefahren. Da liegt die Geschwindigkeit dann eher bei 12 km/h. Die Geduld von Autofahrenden liegt dann auf den Abschnitten, bei denen es keine Radwege gibt, nochmal deutlich unter dem, was ich sonst so mitbekomme. Es wird ganz viel überholt, auch bei Gegenverkehr. Es ist einfach beängstigend. Und durch verschiedene Schilderungen und Videos von dem, was mir so erfahren ist, haben Leute auch gar keine Lust mehr, überhaupt mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren. Das war echt bitter, als ich das gehört habe.

Wir haben also eine Stimmung in der Stadt, bei der sich nur die ganz harten oder verzweifelten Radfahrenden trauen, zu fahren. Eher unsichere Radfahrende trauen sich nicht. Auf der Beuler Rheinseite gibt es mehr baulich getrennte Radwege. Da trauen sich die entsprechenden Bekannten zu fahren. Aber sobald es dann auf die Bonn-Zentrum-Rheinseite geht, haben sie keine Lust mehr.

Ich habe dann selbst auch bei mir darauf geachtet. Es gibt manche Tage, da fühle ich mich stark und habe die Kraft mir meinen Platz zu nehmen. Das Radfahren ist zwar weiterhin überschattet von ein paar rücksichtslosen Idioten, aber es geht ingesamt gut. An anderen Tagen fehlt mir aber diese Kraft. Da bin ich dankbar, wenn es einen baulich getrennten Radweg gibt, ich nicht um meinen Platz kämpfen muss. Da kann ich dann auch gerne hinter langsamen Radfahrenden hinterherfahren, so viel Zeit würde ich durch das Überholen nicht herausfahren können. Kurzum, ich fühle mich wie unerfahrene Radfahrende an ihren durchschnittlichen Tagen. Und an diesen Tagen sehe ich deutlich den Wert von getrennter Infrastuktur, von der Vermeidung von Konflikten.

Auch wenn ich also gerne schnell fahre, und an den meisten Tagen genug Kraft habe, bin ich inzwischen auch für getrennte Infrastuktur. Am Anfang wird diese wohl eher schmal ausfallen, ein Überholen wird nicht immer möglich sein. Das ist für eine gewisse Menge an Radfahrern an gewissen Tagen eine Verschlechterung. Aber es wird für viele andere eine deutliche Verbesserung sein. Und sobald viel mehr Leute mit dem Fahrrad fahren, so steigt dann auch die Auslastung dieser Radwege. Meine Hoffnung ist, dass dann die Auslastung mit PKW weniger wird und sich so ein politischer Wechsel bei der Flächenaufteilung ergibt. Sobald Radwege von vielen genutzt werden, so werden sie hoffentlich mehrheitsfähig. Dann kann dem Auto Platz weggenommen und dem Fahrrad gegeben werden.

Bei allen Veränderungen gibt es die Pfadabhängigkeit. Man kann daher festgefahrene Situationen nicht einfach ändern, selbst wenn man den Zielzustand kennt. Vielleicht müssen wir erstmal mehr Leuten eine sichere Umgebung für das Radfahren geben, bevor sie bereit sind, eine menschenfreundliche Stadt in ihre Vorstellung zu lassen. Und auf dem Weg dahin können wir angenehmer mit dem Fahrrad fahren, ohne ständig durch Autofahrende gestresst zu werden.