Gelesene Bücher 2024 Q2

April, Mail und Juni habe ich natürlich auch wieder Bücher gelesen, hier ist die Liste aus dem zweiten Quartal.

  1. Walker, M. Why We Sleep: The New Science of Sleep and Dreams. (Penguin, 2017).

    Ein ziemlich ausführliches Buch über Schlaf und was der für tolle Dinge für unseren Körper und unsere Psyche tut. Ich habe da viele interessante Dinge gelernt, zum Beispiel dass die Symptome von Schlafmangel und ADHS fast gleich sind. Oder sich die Glymphome im Gehirn nachts weiten und es gut durchgespült wird; wodurch Schlafmangel Alzheimer begünstigt, weil dann toxische Proteine nicht entfernt werden.

    Es ist ein etwas längeres Buch, wiederholt sich aber nicht, wie man das bei einigen US-Autoren kennt. Das macht es interessant zu lesen und vollgepackt mit Informationen. Es liest sich aber schön durch, weil es eine Struktur und roten Faden hat.

    Anscheinend gibt es erhebliche Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Buches, in dem Artikel finden sich viele Kritikpunkte bis hin zur Manipulation von Daten oder Erfindung von Tatsachen. Das rückt das Buch dann in ein unklares Licht. Viele der Dinge, die interessant scheinen, könnten also falsch sein. Insgesamt ist die Botschaft, dass Schlaf eine tolle Sache ist, korrekt. Aber so ganz das Wunder, wie im Buch dargestellt, ist es dann wahrscheinlich nicht.

  2. Baer, U. & Frick-Baer, G. Schuldgefühle Und Innerer Frieden. (Julius Beltz, 2011).

    Ein weiterer Band aus der Reihe »Bibliothek der Gefühle«. Die Reihe kann ich sehr empfehlen, das sind Bücher, die sich wirklich fundiert lesen und für mich auch Anwendungsimpulse haben. Bei vielen anderen Ratgebern sind die Autoren häufig zu überzeugt von ihrer Methode und lassen mir als Leser keinen Raum zu schauen, was davon passt und was nicht.

    In diesem Band geht es um Schuldgefühle, die auch ganz ohne Schuld auftreten können. Besonders interessant fand ich, dass Leute, die in einem Umfeld voller Schuldzuweisungen aufgewachsen sind, häufig in den Kategorien »schuldig« und »nicht schuldig« denken. Sie fühlen sich ständig beschuldigt und können sich entweder selbst Schuldgefühle machen oder aber die Schuldgefühle zurückgeben. Die Existenz von Schuld können sie aber gar nicht in Frage stellen, was allerdings bei Schuldgefühlen ohne Schuld die angemessene Vorgehensweise wäre, um zum inneren Frieden zu kommen.

  3. Frank, A. Meine Verhandlungskompetenz: Erfolgreich Verhandeln in Alltagssituationen. (Books on Demand, 2020).

    Ein kurzes Buch, das die wichtigsten Dinge in Kürze beschreiben sollte. Irgendwie habe ich da jetzt aber nicht so wirklich etwas neues mitnehmen können.

  4. Probst, B. & Martin, N. Save for the Planet: Wie Du Nachhaltig Investierst. (Rowohlt E-Books, 2022).

    In letzter Zeit war ich eher ernüchtert über scheinbar nachhaltige ETFs wie sie »ESG-Screened« oder SRI-Varianten diverses MSCI-Indizes. Die bringen eigentlich nichts. Ich wollte mehr erfahren, also habe ich einmal in dieses Buch geschaut.

    Der erste Teil war wirklich interessant: Man muss zwischen eigenem Einfluss und dem Einfluss der Firma unterscheiden. Wenn man in eine Firma investiert, die Windkraftanlagen baut, und die die auch sonst schon gebaut hätte, dann hat zwar die Firma einen Einfluss, man selbst aber nicht. Investiert man aber in eine Ölfirma und der Fondsverwalter nutzt das Stimmrecht auf der Hauptversammlung klimapositiv, hat das einen Einfluss. Von daher kann es sinnvoller sein über den richtigen Fondsverwalter einen ETF mit Ölfirmen zu kaufen, als die Anteile der Ölfirmen jenen zu überlassen, die die fossilen Energiefirmen gar nicht reformieren wollen.

    Im zweiten und dritten Teil geht es um konkrete Schritte. Das war für mich ziemlich langweilig, eine Inventur meiner Finanzen habe ich seit langer Zeit, eine persönliche Strategie auch. Auch weiß ich über Anlageklassen und Anlagehorizonte. Sie geben eine Auflistung an nachhaltig agierenden Banken und Fondsverwaltern. Das ist hilfreich, aber den Rest habe ich dann übersprungen.

  5. Sieghart, M. A. The Authority Gap: Why Women Are Still Taken Less Seriously than Men, and What We Can Do about It. (W. W. Norton & Company, 2022).

    Ein gutes und auch deprimierendes Buch. Die Autorin beschreibt sehr schön und mitreißend diverse Situationen, in denen Frauen einfach aufgrund ihres Geschlechts weniger ernst genommen werden. Die Situationen sind teilweise absurd, als Mann finde ich es erschreckend wie andere Männer wohl Frauen behandeln. Teilweise entdecke ich aber auch unbewusste Verhaltensweisen bei mir, die erst durch das darüber Lesen aufgedeckt worden sind. Ich mache das nicht aus böser Absicht, wurde aber in unserer patriarchischen Gesellschaft eben auch entsprechend geprägt.

    Das ernüchternde ist aber, dass das Buch die eigentliche Zielgruppe nicht erreichen wird. Im vierten Kapitel bedankt sich die Autorin bei allen Männern, die dieses Buch lesen. Als Mann ein Buch von einer Frau zu lesen sei wohl schon bemerkenswert, als Mann ein Buch über "Frauenthemen" zu lesen fast schon ein Wunder. Jene Männer, die so ein Buch lesen, haben in der Regel schon hinreichendes Problembewusstsein. Aber die anderen, die sich im Patriarchat gut eingerichtet haben, werden dieses Buch wohl gar nicht erst lesen. Bei mir hinterlässt es aber auch eine gewisse Resignation darüber, wie furchtbar sich gewisse »echte Männer« verhalten.

  6. Bates, L. Men Who Hate Women: From Incels to Pickup Artists, the Truth about Extreme Misogyny and How It Affects Us All. (Simon and Schuster, 2020).

    In »The Authority Gap« wurde dieses Buch und die Arbeit der Autorin erwähnt und ich habe es direkt auf meine Leseliste gesetzt. Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn der Inhalt an sich ziemlich erschreckend und ernüchternd ist.

    Es gibt eine »Manosphere«, eine Männerwelt in der diverse frauenverachtende Werte herumgereicht werden. Das perfide dabei ist, dass insbesondere unsichere Jugendliche in diese Welt rekrutiert werden. In dem Alter müssen Jungs durch den Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt, man möchte individuell sein und trotzdem dazugehören, beginnen sich meist für Mädchen zu interessieren. Da es aber keine Garantie dafür gibt, Anschluss zu finden, bleiben manche Jungs einsam.

    Anstelle des differenzierten Zuspruchs, den sie bräuchten, um die Emotionen einordnen und verarbeiten zu können, bieten die Scharfmacher der »Manosphere« den Jungs dann einen einfachen Ausweg: Frauen seien an allem schuld, Männer seien die eigentlichen Opfer! So hätten Frauen schon jetzt mehr Macht als die Männer, der Feminismus hätte als Ziel die Männer komplett zu unterdrücken. Daher müsse man sich wehren. Auch seien Vergewaltigungsvorwürfe schnell erfunden, scheinbar unschuldige Männer würden ganz plötzlich um ihre Jobs und Reputation gebracht werden.

    Es gibt mehrere Gruppen. Die »Incels« sind unfreiwillig abstinente Männer, die Frauen dafür hassen, dass die den falschen Männern Intimität geben. Daher sei es nur gerechtfertigt als Mann Gewalt anzuwenden um das zu bekommen, was dort als »männliches Geburtsrecht« gehandelt wird. Die »Pick-Up Artists« gestehen Frauen keine Emotionen zu und bringen sich gegenseitig bei, wie man sie gewaltsam manipuliert. Letztlich bringen sie sich gegenseitig bei, wie man Sexualstraftaten begeht, ohne erwischt zu werden. Die »Men's Rights Activists« haben einen Strohmann-Feminismus aufgestellt, der angeblich Männer unterdrückt und wehren sich dagegen. Letztlich verteidigen sie gewaltsam das Patriarchat.

    Das Perfide daran ist aber, dass alle jene Gruppen genau das toxische Männlichkeitsbild pflegen und beschützen, das die Jungs und jungen Männer verunsichert. Denn gerade die vermeintliche Anforderung ein »Frauenheld« zu sein, um ein »echter Mann« zu sein, erhöht den Druck auf ein unerfüllbares Niveau. Gibt man gleichzeitig den Ausweg, dass Frauen an allem schuld seien, kann man in diesen Sekten die Erlösung sehen. Letztlich ist es aber eine analoge Radikalisierung wie in anderen Richtungen des Terrors.

    Erdrückend ist allerdings, dass dieser Terror gegen Frauen überhaupt nicht so präsent ist, wie andere Formen von Terror. Es scheint derartig normalisiert zu sein, dass es wohl in vielen Redaktionen gar nicht mehr auffällt. Und jene Frauen, die auf das Thema aufmerksam machen, bekommen sowohl online als auch im echten Leben den Hass und Zorn dieser Sekten ab. Die Autorin erlebt das ständig und muss zusehen, wie die Polizei fast nichts unternimmt.

    Im letzten Kapitel versucht sie zu beschreiben, was man tun kann. Dabei ist der Fokus besonders auf Männern, die sogenannte »Allies« sind, weil die entsprechend indoktrinierten Männer eben nicht mehr auf Frauen hören werden und im Weltbild der »Manosphere« alle Frauen schon vorbeugend als hysterisch bezeichnet worden sind. Somit braucht es Männer, die als Vorbildfunktion eine neue Männlichkeit vorleben können, eine in der Männer Emotionen zeigen dürfen, empathisch sind und alle ihre Mitmenschen gleichberechtigt behandeln.

  7. Pratchett, T. Monstrous Regiment. (Harper Collins, 2003).

    Das ist das dritte Buch von Pratchett, das ich ausprobiert habe. Angefangen habe ich mit »The Color of Magic« (1983), dem ersten Buch aus der Scheibenwelt-Reihe. So richtig reingekommen bin ich nicht. Dann habe ich es mit »Guards! Guards!« (1989) probiert, fand den Humor aber zu gewollt. Pratchett selbst empfiehlt nicht mit seinen ersten Bücher anzufangen. Und so habe ich es dann noch einmal mit »Monstrous Regiment« (2003) versucht. Und da bin ich viel besser reingekommen und fand es dann auch ziemlich spannend.

    Er beschreibt eine Welt voller Absurditäten, die aber von der Realität auch nicht all zu weit entfernt ist. Die Protagonistin heuert bei der Armee ihres Landes an, das von einer eventuell schon verstorbenen Herzogin regiert wird. Daneben richtet sich die Bevölkerung nach den Geboten ihres Gottes, die beständig aktualisiert werden. Die heilige Schrift wird in einem Aktenordner mit zusätzlichen leeren Seiten aufbewahrt, auf denen dann immer wieder neue Sätze stehen. Diese ergeben wenig Sinn, die Leute halten sich trotzdem irgendwie dran. Der Krieg scheint aussichtslos zu sein, niemand gesteht das aber ein. Und das ganze nur, weil der Grenzfluss bei jeder Flut sein Bett verschiebt und daher der Feind nun auf eigenem Land sei.

    Das Hauptthema des Buches ist die Tatsache, dass die Protagonistin sich als Junge ausgibt, um bei der Armee aufgenommen zu werden. Mit der Zeit findet sie heraus, dass weitere Soldaten eigentlich Frauen sind. Gegen Ende bekommen sie die Chance sich zurückziehen, sie bestehen aber darauf offen als Frau in der Armee zu bleiben. Mit ihnen wird es möglich als Frau in der Armee zu dienen.

    Somit bin ich überrascht, wie viel Botschaft das Buch hat. Ich hatte angesichts der Einstiege der anderen beiden Scheibenwelt-Romanen eher nur Klamauk erwartet. So bin ich positiv überrascht für den gesellschaftskritischen und feministischen Subtext im Buch.

  8. Woolf, V. Orlando: A Biography. (1928).

    In diesen Klassiker bin ich nicht so richtig reingekommen. Es scheint ein literarisches Kunstwerk zu sein, aber auch nach 70 Seiten war mir nicht so recht klar, was eigentlich die Handlung ist. Es wurden diverse Situationen aus dem Leben Orlandos geschildert, die für mich aber alle eher oberflächlich wirkten. Wahrscheinlich gibt es da noch eine tiefere Ebene, die mir aber ohne historisches Wissen und Lektüreschlüssel nicht zugänglich ist.