Freundlichere Fahrradklingel
Meine kleine Fahrradklingel wurde häufiger nicht wahrgenommen. Nachdem die Ursache, die zu hohe Frequenz, identifiziert worden ist, konnte ich Abhilfe schaffen.
Laut Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung § 64a müssen Fahrräder mit einer "helltönenden Glocke" ausgestattet sein:
Fahrräder und Schlitten müssen mit mindestens einer helltönenden Glocke ausgerüstet sein; ausgenommen sind Handschlitten. Andere Einrichtungen für Schallzeichen dürfen an diesen Fahrzeugen nicht angebracht sein. An Fahrrädern sind auch Radlaufglocken nicht zulässig.
An meinem Trekkingrad war einfach eine schwarze Miniklingel. Die Teile funktionieren und sind günstig. Sie fallen auch nicht weiter auf und machen einen hohen "Ping"-Ton.
Neulich hatte ich einen älteren Herren mit Hund vor mir. Ich habe mit deutlich Abstand geklingelt, weil Hundebesitzer meist nur auf ihren Hund achten und sich über Klingeln freuen. Aber er hatte mich nicht gehört. Ich habe die Geschwindigkeit reduziert und bin dann auf seiner Höhe stehen geblieben. Freundlich habe ich gefragt, ob er eigentlich die Klingel gehört hatte.
Wir haben dann eine Diskussion zum Thema Schwerhörigkeit, hohe und tiefe Frequenzen und derart gehabt. Generell wusste ich, dass ältere Leute schlechter die hohen Frequenzen hören. Auch stand in einem netten Buch über Schall1 viel zum Thema Schwerhörigkeit drin.
Er hat die Klingel schlicht nicht hören können, sie ist einfach zu hoch. Somit sollte die Klingel also tiefer klingen, damit sie besser gehört werden kann. Zudem tragen tiefe Töne etwas weiter. Diese ganz hohen "Ping"-Töne sind eigentlich doppelt schlecht.
Ich war ja gerade schon auf einer Radtour, habe dann beim erstbesten Fahrradladen gehalten. Das war so ein Fahrradladen mit großem Autoparkplatz und drei traurigen Felgenbrechern vor der Tür. Drinnen war das Sortiment dann vor allem für Zielgruppe "E-Mountainbike hinten aufs Auto". Gut, in Hennef-Stoßdorf hätte mich das nicht verwundern sollen. Bei den Klingeln gab es vor allem kleine Klingeln, die die Optik vom Fahrrad nicht verschandeln sollen. Und dann besonders Laute "Ping"-Klingeln. Der Verkäufer war etwas ratlos bei meinem Wunsch nach einer tiefer tönenden Klingel. Es gab exakt eine große Klingel, aber nur in blanker Metalloptik. Er erklärte mir aber noch, dass man diese Klingeln "Ding-Dongs" nennt. Half halt auch nix. Er wollte mir dann eine kleine Klingel mit 110 dB Lautstärke verkaufen. Er hätte die, und da würden die Leute zur Seite gehen. Klingt jetzt eher aggressiv, aber gut.
Ich bin dann zu Fahrrad Feld in Sankt-Augustin-Menden gefahren. Liegt auch im Gewerbegebiet mit optimaler Erreichbarkeit für Autos. Aber drinnen gibt es gefühlt alles. Und so hatten sie auch viele Regalmeter nur Klingeln. Natürlich auch die winzigen schwarzen Klingeln, die Stealth-Klingeln und die besonders lauten. Aber sie hatten dann die Motiv-Klingeln von Electra und die großen Klingeln von Basil in verschiedenen Mustern. Letztere hat es mir dann angetan und ich habe sie mitgenommen.
Dank Multitool direkt ans Fahrrad montiert und mich direkt daran erfreut. Die sieht jetzt auch freundlicher aus.
Zudem weckt sie mein inneres Spielkind. Kinder haben ja sehr viel Spaß an Fahrradklingeln, das zeigen sie insbesondere bei Veranstaltungen wie Kidical Mass. Aber die Klingel hier klingt so befriedigend, dass ich selbst daran viel Spaß habe. "Ding Dong!"
Ich habe noch nicht genügend Situationen, aber ich habe den Eindruck, dass die Leute etwas weniger erschrocken sind, wenn ich hinter ihnen klingele. Ich kann mir vorstellen, dass die rücksichtslosen Menschen, insbesondere diese gehetzten mittelalten Männer auf Rennrädern, keine oder nur so eine "Ping"-Klingel haben. Entsprechend assoziiert man dieses Geräusch eher mit Stress. Diese großen "Ding Dong"-Klingeln finden sich eher an Hollandrädern bei Menschen, die entspannter fahren.
Mein Fahrrad ist jetzt wirklich individuell: Ein gut ausgestattetes Trekkingrad mit Lichtanlage und Gepäckträger ist ja noch Standard. Dann habe ich aber Klickpedale (einseitig), damit ich auf langen Touren mehr Kraft übertragen kann. Das ist sportlicher. Andererseits habe ich diese Klingel, die eher an Sonntagsfahrer erinnern mag. Aber das ist ja das schöne am Fahrrad, man kann sich das zusammenbauen wie es zu einem passt.
Einen Nachteil hat das Teil aber schon: Bei scharfen Unebenheiten im Boden kommt der Schlägel gegen die Glocke und es macht "Dong". Und angesichts der eher holprigen Wege passiert das alle paar Minuten einmal. Auf Schotterwegen passiert es dann ständig. Das nervt mich dann doch.
Bisher überwiegt die Freude am gewollten "Ding Dong" den Unmut über das ungewollte "Dong", sodass ich diese Klingel erstmal behalten werde.
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Hellbrück, J. & Guski, R. Lauter Schall: Wie Lärm in Unser Leben Eingreift. (wbg Academic, 2018). ↩