Freiheit auf dem Motorrad

Eine Reklame eines Motorradherstellers wirbt mit Motorradfahren als »Freiheit«. Da fällt es mir inzwischen schwer, mitzugehen.

An einer Landstraße in Wesseling kann man auf einer Reklametafel diese Werbung hier sehen:

Da wirbt ein Motorradhersteller mit dem Slogan »So sieht Freiheit aus!«. Auf dem Bild sieht man zwei Personen auf einem großen Motorrad sitzen, das mit Windschutzscheibe, Rückenlehne und Seitenkoffern ausgestattet ist. Die Landschaft im Hintergrund sieht so nach Route 66 in den USA aus.

Welche Freiheiten sind denn da jetzt eigentlich so alle drin? Da ist die Freiheit jederzeit an jeden Ort zu fahren. Aber das kann ich doch auch schon mit dem Auto, da brauche ich kein Motorrad für. Es muss noch etwas oben drauf sein, dass man irgendwie noch freier ist als im Auto. Ist es der Fahrtwind, die mangelnde Dämmung? Für mich hat es so etwas von Bier: Eigentlich kein überzeugendes Produkt, aber es ist so ein gelernter Geschmack.

Früher bin ich selbst Motorrad gefahren. Ja, das Verhältnis von Motorleistung zu Fahrzeugmasse ist schon deutlich anders als bei einem Auto oder Fahrrad, die Beschleunigung ist heftig und wird nur von dem Gefühl eines startenden Passagierflugzeugs erreicht. Man kann es aber selbst kontrollieren. Man hat also die Freiheit am Gasgriff zu drehen und die Beschleunigung zu spüren, den Verbrennungsmotor zwischen den Beinen. So wie ein Pferd reiten, aber mit Verbrennungsmotor. Quasi die Kombination von Marlboro-Cowboy und »ich lärme, also bin ich«.

Ich hatte schon meinen Spaß an der Beschleunigung. Und Lärm, den man selbst macht, nennt man »Sound« und findet es gut. In einer Dokumentation sagte mal ein niederländischer Motorradfahrer in der Eifel: »Für andere mag das Lärm sein, für mich ist das Musik!«

Motorradfahren ist also auch die Freiheit, unterwegs Musik zu hören. Also nicht wie ich Langweiler, der vielleicht mal mit Kopfhörer auf dem Fahrrad Musik hört. Oder die ganz verwegenen, die mit einer kleinen Bluetoothbox am Mountainbike die anderen Wanderer nerven. Nein, mit dem Motorrad hat man seine benzinbetriebene Schallquelle immer dabei und kann so den Freiheitsklängen lauschen. Dass der Lärm hinten aus dem Auspuff rauskommt und beim Fahrer gar nicht so ankommt, erfordert dann schlicht lautere Motorräder. Der Markt bedient das natürlich gerne.

Vielleicht steckt ja auch eine weitere Freiheit drin, nämlich in der Natur zu sein. Mit dem Auto ist man immer in seiner Kapsel, seiner Fahrgastzelle. Im Motorrad kann man aber direkt die frische Waldluft riechen. Also wenn man auf der Landstraße fährt, die mitten durch den Wald gebaut wurde und die Lebensräume der Tiere zerschneidet. Und man nicht jemanden mit einem stinkenden Verbrennerfahrzeug vor sich hat, klar. Dann kann man mal so richtig aufatmen und von der kurvigen Landstraße aus die unberührte Natur betrachten. Das ist Freiheit!

Im Bild sitzen zwei Personen auf dem Motorrad. Im Auto hat man die Windschutzscheibe und die Fenster, man ist innen drin gut schallgeschützt und kann sich gut unterhalten. Gerade in weniger harmonischen Beziehungen ist das nicht unbedingt ein Vorteil. Als vermeintlich harter Kerl hat man keine Gefühle und kommuniziert Bedürfnisse nicht differenziert. Dadurch kann er sich nicht ein bisschen Zeit für sich wünschen. Vielleicht gibt es auch genug Misstrauen in der Beziehung, dass er gar nicht alleine raus darf? Auf dem Motorrad wirkt der Fahrtwind jedenfalls Gesprächen stark entgegen, man müsste sich ziemlich anschreien, damit man etwas hört. Somit ist man dann meist eher ruhig und schweigt sich aus. Das ist auch eine gewisse Freiheit, die man im Auto oder auf dem Fahrrad nicht haben könnte, das sehe ich ein.

Ein weiterer Aspekt, der die Freiheit auf dem Motorrad massiv einschränkt, ist die nötige Sicherheitskleidung. Ich hatte damals eine Lederkombi, und die Jacke weg schon 5 kg. Das ist schwer, nicht so ganz flexibel. In der Sonne sofort brutal warm, bei kaltem Wetter friert man ganz schnell. Man hat dann auch noch den klobigen Helm, den man mit sich herumschleppt. Ich fand das alles nicht so überzeugend. Da ist Regenkleidung auf dem Fahrrad einfacher. Man kann natürlich ohne Schutzkleidung Motorrad fahren, allerdings reichen mir meine Erfahrungen mit Schürfwunden bei unter 20 km/h durchaus aus, um das nicht bei 100 km/h ausprobieren zu wollen.

Zum Schluss ist da noch die Freiheit der anderen. Jene Leute zum Beispiel, die in der Eifel wohnen und das Pech haben, dass kurvige Landstraßen in der Nähe sind. Dann wird die Freiheit im Garten zu sitzen schnell beeinträchtigt durch den ganzen Lärm. Die Städter verlärmen die Städte mit den Autos, behaupten Städte seien halt von Natur aus laut. »Zieh' doch auf's Land«, heißt es dann. Aber auf dem Land hat man die ganzen Leute mit dem Motorrad, die öffentliche Straßen als Rennstrecke missbrauchen. Lärm ist halt überall, da kann man nichts machen. Wer so fimschig ist, muss halt drinnen mit Schallschutzfenstern sein, während draußen die Freiheit auf dem Motorrad genossen wird.

Ich bin da ganz froh, dass ich vor gut einem Jahrzehnt mit dem Motorradfahren aufgehört und auf das Fahrrad umgestiegen bin. Dort habe ich wirklich ein Freiheitsgefühl.