Fantasie-Preise und »sparen«
In einem Laden mit Bazar-Atmosphäre fühlte ich mich in der Beratung bezüglich des Preises unehrlich behandelt. Und als ich dann nicht kaufen wollte, tat man beleidigt. Das ist echt nicht mein Ding.
Wer billig kauft, kauft zweimal. Das hört man immer wieder und das stimmt auch. Zumindest, wenn man das Produkt wirklich haben möchte. Ist man sich dessen nicht so sicher, würde ich eine andere Strategie vorschlagen. Dann das billigste kaufen und wenn das kaputtgeht, hat man es wohl öfter genutzt und kann sich etwas vernünftiges kaufen. Das ist günstiger als bei allem direkt etwas teures zu kaufen, auch wenn man es nur einmal nutzt.
Anfang des Jahres wollte ich eine Lederjacke kaufen und hatte das über Etsy versucht. Über meine abenteuerlichen Erfahrungen hatte ich damals geschrieben. Obwohl der Shop angeblich aus UK kommen sollte, bekam ich eine Jacke aus Pakistan. Die stank furchtbar nach Chemie und die wollte ich nicht tragen. Und die war mit 150 EUR plus gut 50 EUR Zoll auch gar nicht so günstig.
Dann war ich in Köln in einem etwas größeren Laden, bei dem ich hoffte fündig zu werden. Meine Hoffnung war, dass man bei einem Kauf in Deutschland keinen Giftmüll bekommt sondern etwas vernünftiges. Ich ging also in den Laden und fragte nach Jacken. Der Verkäufer schien mich zu erkennen, obwohl ich noch nie in diesem Geschäft war. Könnte eine ehrliche Verwechslung sein, hatte aber schon so etwas von schmierigem Gebrauchtwagenhändler.
Ich bekam ein paar Modelle gezeigt und fand eine, die mir ganz gut gefallen hat. Schnell hatten wir auch die richtige Größe raus. Er bat mir auch an noch kleine Änderungen zu machen, damit sie noch besser sitzen würde. Dann fragte er, ob ich die Woche drauf kommen wollte oder er es per Paket schicken soll. Ich sagte, dass Paket besser wäre, ich käme ja aus Bonn. Das wüsste er, behauptete er. Da war ich dann aber fies und habe gefragt, woher er das denn wissen wollte. Ich sei ja Stammkunde. Nö. Ich sei schon im alten Ladenlokal gewesen. Nö. Ich konnte richtig merken, wie er ins Schwimmen kam.
Aber wir mussten noch den Preis klären. In der Umkleide hatte ich dann mal auf das Preisschild geschaut, da stand 699 EUR. Das wäre mit die Jacke aber nicht wert gewesen. Weil mir das aber so viel für eine Jacke vorkam, zumal ich die Marke als eher bezahlbar im Kopf hatte, habe ich einmal online geschaut. Der Hersteller wollte im Online-Shop 329 EUR dafür haben. Ich verstehe ja durchaus, dass ein Ladengeschäft etwas teurer seine Waren anbieten muss als die Hersteller das im Direktverkauf machen. Aber diesen Aufschlag von 112 % fand ich dann doch nicht mehr zu rechtfertigen.
Dann tat ich so, als hätte ich das Preisschild nicht gesehen. Ich sprach aus wie mir die Jacke gefällt und fragte, was die denn kosten sollte. Der Verkäufer schaute nicht auf das Preisschild sondern nahm einen Taschenrechner und tat, als würde er tippen. Dann schlug er, weil ich ja Stammkunde sei, 350 EUR vor. Also genau die Hälfte vom Fantasiepreis auf dem Preisschild. Vielleicht ist hier die Strategie, dass ich nun glaube 350 EUR zu »sparen« und ein Schnäppchen zu machen? Wenn man so gar keine Ahnung hat, was wie viel wert ist, mag das aufgehen. Bei mir stößt das aber auf.
Nun wollte ich wissen, wie er auf den Preis kommt. Ich sei ja kein Stammkunde, warum er mir dann so einen Preis machen würde. Außerdem sei das ein krasser Nachlass. Er erklärte das mit Black Friday (es war der Donnerstag davor). Er zeigte auf Jacken für 99 EUR als Rechtfertigung. Überzeugt hatte mich das nicht und das schien er so langsam zu merken.
Der Verkäufer erzählte mir ungefragt, wie toll diese Jacke sei, wie gut sie mir stehen würde. Das hatte so eine Bazar-Atmosphäre, die ich aufdringlich finde. Mir gefällt es besser, wenn Verkäufer:innen eher kritisch sind und ich das Gefühl habe dass mir das Kleidungsstück wirklich passt. In meinem liebsten Outdoorladen bin ich schon mehrfach ohne Kauf rausgegangen, weil man mir einfach ehrlich sagte, dass sie das so nicht haben.
350 EUR seien noch wirklich viel Geld, ich wollte da nochmal drüber schlafen. Er lies nicht locker und pries immer wieder die Vorteile an. Er verstand mein Problem nicht. Als ich dann aber wirklich klargemacht habe, dass ich an diesem Tag diese Jacke nicht kaufen würde, kippte die Stimmung rapide. Er spielte beleidigt, als hätte würde ich seine Waren nicht wertschätzen und ihn auch nicht. Aber auch wenn ich die Jacke hätte haben wollen, wollte ich sie einfach nicht mehr dort kaufen. Der Preis war sekundär, die Atmosphäre hat mich einfach gestört.
Am nächsten Tag bekam ich dann den Newsletter vom Hersteller, ich hatte da schon einmal was bestellt. Zu Black Friday würden sie 25 % Nachlass geben. Und so habe ich die exakt gleiche Jacke dann für 246 EUR bekommen. So viel zum »Black Friday Angebot« im Ladenlokal.
Gerade bei Kleidung finde ich vor Ort anprobieren deutlich besser als online bestellen und wieder zurückschicken zu müssen. Aber wenn die Beratung für mich nicht passt, sehe ich den Vorteil vor Ort nicht mehr. Und gerade so Bazar-Atmosphäre holt mich nicht ab.