Experimentelle Umweltfahrstreifen am Hermann-Wandersleb-Ring

Vor etwas über einem Jahr schrieb ich zum geplanten Umweltstreifen am Hermann-Wandersleb-Ring. Ich hielt das damals für keine so überzeugende Lösung. Aber nun wurde das vor ein paar Monaten umgesetzt. Das Presseecho war gar nicht mal so negativ. Einige Autofahrer*innen würden sich nicht daran halten, schrieb sogar der General-Anzeiger. Nun habe ich mir das selbst einmal vor Ort angeschaut und bin eher schockiert und finde das sehr unübersichtlich, unsauber umgesetzt und vom Gesamtkonzept her fragwürdig.

Fangen wir an der Kreuzung mit der Provinzialstraße und der Rochusstraße an. Dann sehen wir den Umweltfahrstreifen (Busfahrstreifen mit Fahrradfreigabe), daneben ein regulärer Fahrstreifen.

An sich erstmal okay, das Prinzip geht an der Oxfordstraße gut auf. Ein fragwürdiges Detail ist, dass der Gehweg weiterhin für den Radverkehr freigegeben ist. Für das Experiment haben sie aber wohl die Zeichen nicht entfernt. Vielleicht aus Arbeitsersparnis, vielleicht aber auch, weil sie von dem Umweltstreifen selbst nicht überzeugt sind.

Hinter der Bushaltestelle geht es dann auch erstmal weiter, das sieht wirklich schick aus.

Dahinter kommt dann aber der Knaller: Der Umweltstreifen hört plötzlich auf:

Da ist dann einfach nur noch ein Schutzstreifen.

Das ganze soll für den Kraftverkehr das Rechtsabbiegen ermöglichen, irgendwie muss man ja in die Seitenstraße kommen können aktuell. Und somit ist das im Kreuzungsbereich dann einfach nur mit Schutzstreifen.

Die Kreuzung ist jener Bereich, in dem es für den Radverkehr am gefährlichsten ist. Und gerade hier löst man das dann auf. Mit dem Schutzstreifen drängt man den Radverkehr auch nach rechts, für den Autoverkehr suggeriert das eine Überholmöglichkeit. Auch sind Auto- und Radverkehr hier nebeneinander, und das kann dann richtig böse werden.

Das Problem an normalen deutschen Kreuzungen ist dass Autofahrer*innen beim Rechtsabbiegen mit getrennter Radverkehrsführung sich einmal in eine Lücke im Radverkehr einfädeln müssen, und dann rechts abbiegen müssen. Das muss meist in einem geschehen, und macht es entsprechend schwerer. Um die Komplexität zu reduzieren und damit hoffentlich die Sicherheit zu erhöhen, muss man diese beiden Vorgänge trennen.

Die Niederländer machen das mit der Schutzkreuzung. Hier wird der Radverkehr etwas vom Kraftverkehr verschwenkt, sodass da ein Abstand ist.

Dann treffen rechtsabbiegende Autofahrer*innen und geradeausfahrende Radfahrer*innen im rechten Winkel zusammen. Außerdem ist man mit dem Auto schon komplett abgebogen, bis man auf den Radverkehr trifft. Damit sind es zwei Schritte.

In Kopenhagen ist es ganz anders gelöst. Da wird der Radfahrstreifen dann zum Rechtsabbiegestreifen für den Kraftverkehr. Man sieht das an den sich abwechselnden Fahrtrichtungspfeilen nach rechts und den Fahrrad-Sinnbildern. So ist das Einfädeln in die Lücke und das eigentliche Abbiegen dann in zwei getrennte Schritte aufgeteilt. Es kann unangenehm sein, wenn man plötzlich Autos vor und hinter sich hat. Aber da das Sinnbild Fahrrad in der Mitte ist, überholt man die Autos nicht mehr auf der rechten Seite, man ist hintereinander. Und es ist klar, dass jene Autos gleich nach rechts bewegt werden. Man bleibt hintereinander, und dann ist das alles kein Problem.

Und jetzt wieder zurück nach Bonn-Endenich. Da sieht es an der Ampel dann wie folgt aus:

Hier wird mit dem Schutzstreifen der Rad- und Autoverkehr bis ganz nach vorne nebeneinander gehalten. Und dann gibt es beim Abbiegen halt alle typischen Unfälle, wie man sie immer wieder hat und häufig für Radfahrer*innen tödlich enden.

Es wirkt wirklich so, als würde man sich nicht von anderen Städten inspirieren lassen wollen oder können. Vom Platz her geht das Beispiel aus Utrecht nicht, das sehe ich ein. Aber das aus Kopenhagen könnte man hier vom Platz her machen. Ich weiß nicht, ob das in Deutschland nach StVO und VwV-StVO und StVG überhaupt legal wäre, was die Richtlinien ERA und RASt dazu sagen. Es wirkt jedenfalls so, als wollte man mit schüchternen Mitteln das aus Kopenhagen versuchen wollen, es aber nicht können.

Meine Begeisterung, dort Fahrrad zu fahren, ist wirklich gering. Ich finde es nicht wirklich eine spürbare Verbesserung. Ich finde das unübersichtlich und gefährlich überfordernd für den Kraftverkehr.

Aber es wird noch schlimmer. Schauen wir einmal hinter die Einmündung. Da fängt der Umweltstreifen nicht direkt an, sondern es gibt erstmal einen Beschleunigungsstreifen. Der ist aber total sinnfrei, weil aus der Stichstraße nur einstreifig abgebogen wird. Man hätte sie auch direkt anfangen lassen können.

Irgendwie ist dieser Abschnitt auch sehr kurz, vielleicht 10 Meter. Und danach geht es dann mit dem Umweltstreifen los.

Der hat dann die übliche Beschriftung, damit ist auch klar, wo man da unterwegs ist.

Aber weil da die nächste Stichstraße kommt, wird das wieder unterbrochen.

An der Kreuzung dann das gleiche Spiel, wieder nur Schutzstreifen.

Schaue ich in die andere Richtung, kann ich die Konflikte schon sehen.

Hinter der Einmündung geht der Umweltstreifen dann wieder los.

Also nur, um dann wieder vor der Tankstelle zu enden.

An der fahrdynamisch geschwungenen Einfahrt ist dann wieder nur ein Schutzstreifen.

An der Kreuzung ist wieder das gleiche Problem zu erkennen. Hier steht ein Auto und lässt den Schutzstreifen frei. Ich darf dort mit dem Fahrrad bis zur Haltelinie fahren. Die Person im Auto muss mich dann nach StVO § 9(3) durchlassen. Aber ob das in der Realität immer klappt? Ich würde das so nie machen und mich immer nur dahinterstellen und so lange warten, bis die Person vor mir abgebogen ist. Gleichzeitig würde ich den Kraftverkehr hinter mir davon abhalten mich zu überholen und noch rechts abzubiegen. So bin ich dann sicher.

Dahinter dann wieder dieser alberne Beschleunigungsstreifen. Wenn man genau hinschaut sieht man auch die lose gelbe Markierung, die sich von der Fahrbahn gelöst hat. Das ist irgendwie schlecht ausgeführt worden.

Rückrichtung

Ich hatte nicht so viel Zeit um alles zu fotografieren, daher bin ich dann wieder zurückgelaufen. Und die andere Richtung ist viel schlimmer noch. Dort ist aus irgendwelchen rechtlichen Winkelzügen der Umweltfahrstreifen nur zeitlich begrenzt. Damit die Busfahrer*innen die Radfahrer*innen überholen dürfen, müssen sie den Busfahrstreifen verlassen dürfen. Ohne die zeitliche Begrenzung wäre es ein Sonderfahrstreifen, den man nicht verlassen darf. Durch die Begrenzung darf man aber eine gestichelte Linie machen.

Nachts ist generell weniger Verkehr. Von daher braucht es ganz bestimmt keinen zweiten Fahrstreifen für den Kraftverkehr, wenn es tagsüber auch geht. Es ist einfach nur ein Winkelzug, der das hier für den Radverkehr deutlich verschlechtert.

Dann kommt noch dazu, dass dort der einzige Pfeil schon fast weg ist. Wenig Wunder also, dass die Person im schwarzen Auto das nicht verstanden hat. Natürlich hätte man das Zeichen für den Busstreifen sehen müssen, aber »leicht und mit beiläufigem Blick erfassbar« würde ich dieses ganze Konstrukt nicht nennen. Daher habe ich da wirklich Mitleid für die Leute im Auto.

Das Ende für die Stichstraße ist wie gehabt gestaltet:

Es hört einfach auf, und zwar wieder so absurd kurz:

Hinter der Kreuzung fängt der Umweltstreifen dann wieder an.

Und dort sind die Markierungen teilweise richtig kaputt:

Man hat hier in diesem Abschnitt auch keinerlei Sinnbilder auf der Fahrbahn, sodass es schwer zu verstehen ist.

Wenn man jetzt hier ohne das Schild schaut, wer würde das verstehen? Die gestrichelte Linie ist ein Breitstrich, sie trennt also einen besonderen Fahrstreifen ab. Das kann eine Ausfahrt sein, oder halt ein zeitbeschränkter Umweltstreifen.

Noch so ein herausforderndes Ding ist die Mittellinie. Die gelbe liegt nämlich neben der weißen, man fährt also im alten Gegenverkehr. Das ist gerade nachts schon echt heftig.

Kreuzungsbereich

Hinter der Bushaltestelle kommt dann wieder die Kreuzung mit der Provinzialstraße und Rochusstraße. Der Umweltfahrstreifen hört dann wieder auf, dafür kommt sehr viel gelb.

Die Provinzialstraße (nach links) hat zwei Fahrstreifen, die Rochusstraße (nach rechts) hat nur eine. Aktuell ist da aber eine Baustelle, und das sieht so aus:

Man hat da einen Fahrstreifen, der einfach in der Absperrung endet. Das ist doch der Wahnsinn! Also ja, in der Provinzialstraße wird da der Kanal saniert, somit fällt ein Fahrstreifen weg. Daher muss man sich vorher sortieren. Aber dann kann man das doch besser markieren und nicht zwei Streifen schaffen, von denen einer nach 50 Metern in einer Wand endet.

Will man mit dem Fahrrad jetzt weiter, wird man dort alleingelassen. Das Gelb geht irgendwie noch gestrichelt weiter, aber der Radweg auf dem Hochbord fängt da auch an.

Also wie soll man da jetzt rüber? Versteht das irgendwer? Und wenn ja, wie kommt man über den Bordstein?

Auf der Fahrbahn bleiben ist gar nicht so schlecht, der Radweg wird immer als Haltefläche vor dem Arbeitsamt genutzt. Und dann ist der auch noch für beide Richtungen. Kann ich nicht empfehlen, muss man aber nutzen.

Wo wir gerade in der Rochusstraße sind, können wir nochmal zur Kreuzung zurück blicken. Man hat hier auch irgendwie einen Umweltfahrstreifen. Aber einen, auf dem auch der Kraftverkehr freigegeben ist. Und das alles zum Rechtsabbiegen. Also das Rechtsabbiegen bezieht sich wohl nur auf den Autoverkehr, denn mit dem Fahrrad und Bus soll man ja gerade dort geradeaus fahren. Alter, wer soll das bitte bei 50 km/h verstehen? Gut, sind nur vier und nicht fünf Verkehrszeichen auf einmal, aber nahe dran.

An der Kreuzung endet dann auch noch der Busfahrstreifen, damit war der doch extra für den Autoverkehr zum Abbiegen freigegeben. Das ist in sich ziemlich inkonsistent.

Dann kann man von dort aber wirklich gut in den Hermann-Wandersleb-Ring einfahren.

Das sieht dann auch ziemlich ordentlich aus im ersten Teil, mit dem der Artikel angefangen hat.

Noch ein Blick in die Provinzialstraße. Dort kommt man auch von einem Umweltfahrstreifen.

Somit ist meine Befürchtung nicht so ganz wahr geworden, man hat schon einen halbwegs sinnvollen Übergang.

Sinnvoll im Netz?

Wir haben bisher leider kein von der Politik abgesegnetes Hauptroutennetz, anhand dessen man dieses Experiment bewerten kann. Schaut man sich aber mal den touristischen Radwegweiser an, so sieht man hier den Hermann-Wandersleb-Ring nicht markiert.

Schaut man einmal auf die Karte, so findet man parallel zu Provinzialstraße die Schleidener Straße, die eine Fahrradstraße ist! Wenn ich dort fahre, dann würde ich immer diese nehmen. Vor allem, weil man auch eher nicht über die Provinzialstraße mit dem Fahrrad von Lengsdorf nach Endenich fahren würde.

Und auch die Beziehung zur Weststadt ist eigentlich besser durch den Ortskern durch.

Die Fahrt durch den Ortskern ist nicht so schön, weil da noch Autoverkehr ist. Ich würde hier vielmehr den Autoverkehr durch Endenich massiv einschränken, eine reine Fuß- und Fahrrad- und Buszone draus machen, ähnlich wie in Berlin die Friedrichstraße. Umweltstreifen in die Mitte, große Gehwege links und rechts. Kein Autoverkehr. Dafür dann den ganzen Autoverkehr auf die Umgehungsstraße Hermann-Wandersleb-Ring verbannen, dafür ist die gebaut worden.

Fazit

Ich wohne inzwischen ja am anderen Ende der Stadt, daher komme ich dort nicht mehr regelmäßig vorbei. Aber wenn, dann würde ich lieber die Route durch den Ortskern nehmen, als mich da bei diesen merkwürdigen Rechtsabbiegern gefährden lassen.

Die Markierungsarbeiten sind handwerklich wohl eher schlecht, wenn die Farbe jetzt schon abblättert und lose herumflattert. Die Planung scheint mir ein Kompromiss mit unseren aktuellen Vorschriften zu sein, ich finde sie aber schlecht. Für den Radverkehr sehe ich den Mehrwert nicht.

Dem Busverkehr nützt es etwas, und das kann im Berufsverkehr auf der Route schon wirklich etwas bringen. Es ist ja auch ein Umweltstreifen und primär für den Busverkehr, sekundär für den Radverkehr. Von daher ist es schon okay, wenn es für den Radverkehr nicht perfekt ist. Aber dann muss ich auch nicht damit zufrieden sein.