Digitalcheck NRW – Wer hat sich das ausgedacht?
Im Bus sah ich Werbung für den Digitalcheck NRW, den ich mir mal anschauen wollte. Ich rechnete damit, dass es eher furchtbar wird. Und wurde trotzdem überrascht. Ein Einblick in die ersten Fragen.
Das ganze ist wie ein Bravo-Quiz, wo man schauen kann, wie sehr man irgendwas ist. Sei es wie sehr man sich mit einem Fußballer identifiziert, wie introvertiert man ist oder ähnliches. Und hier ist halt die Frage, wie digital man ist. Letztlich ist die Antwort einfach, ich mein Körper und ich sind schon ziemlich analog. Aber natürlich wäre es langweilig da nicht ein bisschen Freiraum zu lassen. Sonst wäre »Wie Fußball bist du?« natürlich auch schnell fertig.
Ich bin also auf die Seite gegangen, und da ging es dann auch noch um KI. Toll. KI ist ja voll das tolle Thema. Aber wo bleibt nur die Blockchain? Selbst das Erzbistum Köln verkauft jetzt NFTs zur Sanierung des Kölner Doms. Aber ich schweife ab.
Man kann da jetzt den Test starten, und es gibt diverse Themenfelder.
Ich habe einfach mit dem ersten angefangen. Man hat da wohl diverse Fotos gemacht und will jetzt eine Kollage daraus erstellen. Und dazu schaut man sich jetzt mal zuhause um nach Geräten, die da helfen.
So sieht die Arbeitsecke aus. Da ist schon vieles kaputt. Da ist der Monitor parallel zum Fenster, das widerspricht der Verordnung für Bildschirmarbeitsplätze. Dann ist der Monitor oben breiter als unten. Entweder ist das eine bescheuerte Spezialanfertigung, oder der steht nach vorne geneigt. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Dann sind zwei Geräte mit Schutzkontaktsteckern in die Steckdosenleiste eingesteckt. Der Monitor und der Drucker vielleicht? Die Lampe und das Radio werden mit freier Energie aus der Luft betrieben? Wer hat eine Ladeschale für sein Handy?
Nun soll man auf die verschiedenen Dinge im Bild klicken. Die Fotokamera kann man übringens nicht anklicken. Dabei sind doch auf der die ganzen Fotos, oder? Die Pflanze kann man aber anklicken und bekommt einen dummen Spruch.
Einen ähnlichen Spruch bekommt man beim Radio.
Das im Regal stehende Fotobuch wird hier als analoges Relikt dargestellt, das man digitalisieren soll. Wer will schon ein Fotobuch haben?
Ah, aber wenn man einen Drucker hat, dann kann man die ausdrucken. Aber bitte nur »auch mal« ausdrucken, nicht zu häufig machen. Die ausgedruckten Bilder sind dann nicht mehr digital, und dann bist du nicht mehr so digital!
Das mit dem Drucker erinnert mich noch an eine Physikstude in der achten Klasse. Wir hatten so einen Lehrer der mit seiner spröden Art eine derartige Unlust für das Fach versprühte, dass mein Interesse an Physik trotz und nicht wegen diesem Herrn gekommen ist. Wir haben das Schuljahr Optik behandelt. Und jener Lehrer fragte worauf man denn beim Kauf einer Digitalkamera achten müsste. Das ist eine sehr interessante Frage, bei der man wirklich viel zu Optik behandeln kann. Und so kamen dann die verschiedenen Vorschläge rein:
- Die Kamera muss viele Megapixel haben, damit die Bilder gut aufgelöst sind. Nein.
- Man braucht viel Zoom, damit man entfernte Dinge ranholen kann. Nein.
- Die Kamera sollte gut zum mitnehmen sein. Auch nicht.
- Das Objekt sollte idealerweise eine niedrige Anfangsblende haben, damit es besonders Lichtstark ist. Nein.
Und was war es? Nun, man muss einen guten Drucker haben, damit man die Bilder auch ausdrucken kann! Er triumphierte ein bisschen, weil die ganzen Idioten in seiner Klasse diesen genialen Gedanken hatte. Wer kennt das nicht, man lässt sich im Fotofachgeschäft beraten, kauft eine passende Kamera und stellt zuhause fest, dass man gar keinen Fotodrucker hat. Resigniert gibt man die Kamera im Fotofachgeschäft zurück und entschuldigt sich für den fehlenden Drucker. Die Verkäuferin im Geschäft tröstet einen und sagt, dass man da nichts machen kann. So ist das leben. Die wenigsten Leute hätten halt in der achten Klasse bei jenem Herrn Unterricht gehabt und diese wichtige Lektion gelernt.
Zurück zum Quiz. Meine erste Wahl wäre der Computer. Also zumindest interpretiere ich das als Computer. Es fehlt ja der eigentliche Rechner (könnte aber auch im Monitor integriert sein), vor allem aber Maus und Tastatur. Jedenfalls ist das hier im Quiz die falsche Antwort.
Man wird also auf der Smartphone geleitet. Klar, wenn ich einen großen Monitor habe, aber weder Computer, Maus noch Tastatur dazu, dann ist das Smartphone in der Tat die beste Option.
Wir suchen jetzt also die richtige App dafür aus. Wie aufregend!
Es gibt da im App-Store vier Apps zur Auswahl. Und es ist ziemlich offensichtlich dass wir jetzt zu »TheMoment« geleitet werden sollen. Dort sind die besten Bewertungen und auch der passenste Text.
Aber schauen wir erstmal in die »GIFfun« App rein, die ja offensichtlich nicht passen soll. Diese können wir nicht installieren, weil sie nicht die richtige ist. Wir sollen eine »passendere« App suchen. Also passt diese App hier doch, die anderen passen nur besser?
Die nächste App ist dann »Happy Collage«. Hier sind dann direkt ein paar Happen drin, die eindeutig sind. Oh, die App braucht Zugriff auf die gekauften Artikel (im App-Store), und den Standort. Das ist eine Datenkrake! Und in den Bewertungen steht, dass es Werbung gibt. Oh nein, Werbung in einer kostenlosen App, wie kann das nur sein?
Wenn ich die installieren will, dann geht das auch nicht. Ich werde vor der Werbung gewarnt. Sie haben ganz recht, Werbung ist gefährlich. Ich bin ja auch auf die Werbung für den Digitalcheck NRW reingefallen und habe aus Versehen etwas falsches in meine URL-Leiste im Browser gedrückt. Naja, das mit der Datensammlung stimmt immerhin.
Also auf zu »Schöne Fotos«. Kommt aus den USA, wie vieles halt. Und dann noch eine Rezension mit einer Frage von einer Person, die damit nicht klarkommt. So eloquent schreibt doch kein Depp, das ist eine Fake-Rezension. Und hier auch wieder jede Menge Berechtigungen. Das ist unter modernem Android eigentlich egal, die Berechtigungen werden nämlich nicht mehr vorher abgefragt sondern bei Bedarf. Insofern ist dieser Digitaltest auch schon sehr veraltet.
Man wird jetzt hier wegen 115 MB Speicherplatzbedarf gewarnt. Das ist nicht euer ernst! Mein Handy hat 128 GB Speicherplatz, da gehen 1000 solcher Schrottapps drauf. Und dann hat heutzutage jede mit Electron erstellte App mindestens 120 MB. Als ob dieser Speicherplatzbedarf irgendwas neues wäre. Klar, wenn man im Land den Breitbandausbau verkackt hat, dann sind 115 MB schon ziemlich viele Daten.
Der Firmensitz in den USA ist schon ein sinnvoller Hinweis. Es ist ja wirklich schlimm, wenn Daten in die USA abfließen. Also so schlimm, dass man auf der Seite von Digitalcheck NRW den Google Tag Manager eingebunden hat, mit dem man dann einfach Google Analytics einbinden kann. Es geht also klar um Tracking mit Datenübertragung in die USA.
<!-- Google Tag Manager (noscript) --> <noscript><iframe src="https://www.googletagmanager.com/ns.html?id=" height="0" width="0" style="display:none;visibility:hidden"></iframe></noscript> <!-- End Google Tag Manager (noscript) -->
Aber das ist alles voll okay, schließlich steht das ja in der Datenschutzerklärung der Seite, Hervorhebungen von mir:
Wir verwenden unter anderem Tools von Unternehmen mit Sitz in den USA oder sonstigen datenschutzrechtlich nicht sicheren Drittstaaten. Wenn diese Tools aktiv sind, können Ihre personenbezogene Daten in diese Drittstaaten übertragen und dort verarbeitet werden. Wir weisen darauf hin, dass in diesen Ländern kein mit der EU vergleichbares Datenschutzniveau garantiert werden kann. Beispielsweise sind US-Unternehmen dazu verpflichtet, personenbezogene Daten an Sicherheitsbehörden herauszugeben, ohne dass Sie als Betroffener hiergegen gerichtlich vorgehen könnten. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass US-Behörden (z. B. Geheimdienste) Ihre auf US-Servern befindlichen Daten zu Überwachungszwecken verarbeiten, auswerten und dauerhaft speichern. Wir haben auf diese Verarbeitungstätigkeiten keinen Einfluss.
Die Digitalclowns wollen hier im Quiz also Tante Erna davor warnen leichtfertig die Daten in die USA zu schicken und schicken dabei Tante Ernas Daten in die USA. Warum nutzen die nicht Matomo? Sind die etwa nicht digital genug um das zu kennen?
Und nun kommen wir zur richtigen App, »The Moment«. Das ist zufällig eine App, die von einer Entwicklerin aus Deutschland kommt und tolle Bewertungen hat. Die Berechtigungen sind einigermaßen übersichtlich, wobei der Standort nicht nötig sein sollte.
Und jetzt bei der Installation wird darauf hingewiesen, dass es die perfekte kostenlose App nicht gibt. Wenn man ein bisschen versteht, wie die Entwicklung solcher Dinge finanziert wird, wundert das nicht wirklich. Und das schöne hier ist auch, dass die App mit 113 MB »nicht viel Speicherplatz« braucht, während bei der anderen App mit 115 MB davon abgeraten wurde, weil sie »ziemlich groß« sei. Wollen die mich eigentlich verarschen? Und woher wollen sie wissen, dass dort wenig Werbung drin ist? Weil in den zwei gezeigten Bewertungen sich niemand über die Werbung beschwert hat? Ist klar.
Immerhin weisen sie auf den Standort hin. Jedoch fragt modernes Android vorher nach, und man kann das ablehnen. Gute Apps verkraften das, böse Apps fangen an zu nötigen. Dann fliegt sie halt vom Telefon. Von daher ist es egal was die App so alles anfragt, solange man es dann halt nicht erlaubt.
Mir hat es dann gereicht, das ist derart bescheuert gemacht. An sich ja ganz okay, damit irgendwelche Leute nicht auf den gröbsten Mist reinfallen. Aber es ist in sich inkonsistent. Es hat das Niveau einer Sicherheitsschulung auf der Arbeit, die ja auch niemand wirklich freiwillig macht. Wer auch immer hier die Zielgruppe ist, sie tun mir leid. Und ich gehöre definitiv nicht dazu.
Kontakt zur Betreiberfirma
Ich habe denen am 05.03.2023 mal eine E-Mail geschickt und auf diese ganzen Dinge hingewiesen. Am 14.03.2023 bekam ich eine Antwort. Man danke für meine Rückmeldung und werde es in den nächsten Iterationen einbauen.
- Der Bildschirm sei gar nicht nach vorne gekippt, das sei einfach der Stil dieser Zeichnungen.
- Die 2 MB Unterschied in der App-Größe ist in der Tat merkwürdig, das wird korrigiert.
- Es wird Google Analytics genutzt, weil man das dann gut mit Google AdSense kombinieren kann. Die Daten werden allerdings mit anonymisierten Daten und komplett datenschutzkonform betrieben.
Ich finde das mit Google Analytics weiterhin lustig. Anscheinend ist es ja gar kein Problem Datendienstleister aus den USA einzusetzen. Vielleicht macht die »Schöne Fotos« App das genau so?
Aber ich scheine eh nicht die Zielgruppe zu sein. Der Digitalcheck richtet sich an »Mithaltende in der Digitalisierung«, ich hingegen sei ein »Vorreiter«, schrieben sie. Dann hoffe ich mal, dass dieses Angebot jener Zielgruppe auch wirklich hilft.
Nachfrage wegen Förderung
An sich wäre dieser zweifelhafte Digitalcheck okay, wenn das durch eine private Stelle gemacht wird. Im Impressum ist die »Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) e.V.« angegeben. Das ist also nicht direkt staatlich. Wenn die ihre Kohle dafür verbrennen, sollen sie das gerne tun.
Laut Webseite ist das aber durch das Land NRW gefördert worden:
Das finde ich so nicht in Ordnung. Andererseits wundert mich dann auch nicht, warum »Digitalisierung Made in Germany« so ist, wie sie halt ist. Wenn meine Steuergelder für so einen Schwachsinn ausgegeben werden wundert es auch nicht, dass kein Geld mehr für die sinnvollen Dinge da ist.
Wie schön, dass man da beim Land NRW mal nachfragen kann:
- In welcher Höhe wurde der Digitalcheck NRW der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) e.V. durch den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert?
- Aus welchem Grund wurde dieses Projekt gefördert, welche Ziele wollte man durch diese Förderung erreichen?
Darauf bekam ich dann eine ausführliche Antwort:
Hierzu kann ich Ihnen mitteilen, dass im Zeitraum von 2019 bis 6/2023 insgesamt 1.950.511 € für die Förderung des #DigitalCheckNRW verausgabt wurden bzw. werden.
Der #DigitalCheckNRW ist das zentrale Ankerprojekt im Bereich Medienkompetenzförderung für Erwachsene in Nordrhein-Westfalen, an das sich ergänzend Projekte zu Einzelthemen andocken. Es wurde hier bewusst der Weg gewählt, Medienkompetenz durch ein frei zugängliches, niederschwelliges, sehr einfach zu bedienendes digitales Angebot für alle erreichbar zu machen und damit „in die Fläche zu bringen“. Die Online-Plattform bietet einen Selbsttest, mit dem Nutzerinnen und Nutzer ihr Wissen in verschiedenen Bereichen testen können. Die Testergebnisse werden mit rund 900 Bildungsangeboten aus einer umfangreichen Datenbank vernetzt, Tendenz steigend. Bisher sind rund 280 Angebote davon als reine Online-Angebote in der Datenbank geführt. Wer den Test absolviert, erhält zu seinem persönlichen Kompetenzbedarf passende Bildungsangebote. Parallel dazu erhalten wiederum Weiterbildungsinstitutionen Hinweise für eine eventuell nötige Erweiterung ihrer Lernangebote.
Unter den teilnehmenden Institutionen sind bisher viele, über ganz Nordrhein-Westfalen verteilte Volkshochschulen, Bibliotheken, aber auch an dere externe Weiterbildungsorganisationen und Anbietende. Ebenso ist die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen als Partnerin vertreten, die aktiv auf vor Ort vorhandene Angebote zur Schließung von Wissenslücken hinweist.
Um möglichst in der Breite alle Menschen zu erreichen und der Bevölkerungsstruktur in Nordrhein-Westfalen gerecht zu werden, gibt es das Angebot neben Deutsch auch in englischer, türkischer, arabischer und russischer Sprache. Seit 2023 ist der #DigitalCheckNRW auch in Leichter Sprache verfügbar, um einen möglichst niedrigschwelligen Einstieg zu ermöglichen und Sprachbarrieren zu minimieren.
Das von der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen initiierte und geförderte Projekt wird von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) e.V. als Trägerorganisation umgesetzt.
Okay, das hat also fast zwei Millionen EUR gekostet. Das Geld wurde allerdings nicht nur für diesen Test, sondern auch noch für weiterführende Angebote genutzt. Mir kommt das als Privatperson viel vor, ich weiß inzwischen allerdings wie teuer vermeintliche Kleinigkeiten sind.
Der Rahmen der Umsetzung gefällt mir gut, sie haben es in verschiedenen Sprachen übersetzt. Auch die Zusammenarbeit mit lokalen Bildungsträgern wie Volkshochschulen erscheint mir wirklich sinnvoll. An sich ist das Anliegen ja auch ein sinnvolles: Die breite Bevölkerung bei der Digitalisierung mitzunehmen.
Vielleicht ist es für die Zielgruppe tatsächlich besser ein Fotobuch per App zu bestellen. So richtig überzeugen kann mich das ganze aber nicht.