Die anderen sollen beim Klimaschutz anfangen
Häufig hört man, dass die anderen beim Klimaschutz anfangen sollen. Sollen sich die ganzen Vegetarier*innen doch erstmal vegan ernähren und auf Eier und Milchprodukte verzichten, dann denke ich vielleicht mal darüber nach nicht jeden Tag ein ganzes Kilogramm marinierte Schweinenackensteaks auf dem Kohlegrill zu grillen.
An sich kann ich diesen Gedanken verstehen. Veränderung ist schwer. Aber diese Haltung zeigt, dass man nicht gewillt ist sich einzuschränken. Seine eigenen Vorteile zurückzustellen und für das Gemeinwohl etwas zu tun. Wenn alle so egoistisch leben, wird das nichts mehr mit dem Klima. Aber wenn wir nur alle zusammenhalten und uns alle etwas einschränken, dann können wir das schaffen!
Einen wahren Kern hat das ganze aber trotzdem. Man kann als Einzelperson schon viel machen, allerdings kann man seinen Ressourcenverbrauch auf minimal 0 herunterfahren. Weniger geht nicht. Und schaut man sich einmal um, so findet man himmelschreiende Ressourcenverschwendungen. Zum Super Bowl in Phoenix sind über tausend Privatjets geflogen worden, die Karte mit Flugbewegungen sieht ziemlich heftig aus. Wenn also über 1000 Leute mit ihrem Privatflugzeug zu einem Sportevent fliegen, wie viel Müll soll ich bitte trennen um das zu kompensieren? Warum soll jemand auf die jährliche Flugreise verzichten, wenn andere ein Flugzeug wie ein Auto nutzen?
Oder was bringt es uns als Deutschland, wenn wir unsere Ressourcen herunterfahren, während Länder wie USA und China viel größere Emissionen fahren? Warum sollten wir da überhaupt etwas tun? Eigentlich ist das recht einfach: Wir haben 1 % der Weltbevölkerung, aber 2 % der weltweiten Emissionen. Im Abkommen von Paris haben sich die Regierungen sehr vieler Länder Ziele gesetzt. Diese müssen eingehalten werden, jedes Land kann an diesen Zielen gemessen werden. Und so muss Deutschland auch an seinen Zielen gemessen werden.
Aber das ganze ist ein komplexer Vorgang mit vielen Abhängigkeiten. Man kann zwar auf Autofahrten verzichten und sie mit der Bahn machen. Ist die Strecke allerdings nicht elektrifiziert und man fährt mit einem dieselelektrischen Zug, so erzeugt das noch immer CO₂. Mit einem Elektroauto, das an der eigenen Solaranlage geladen wurde, würde man kein neues CO₂ erzeugen. Als Bahnfahrer habe ich es allerdings auch nicht in der Hand, ob eine Strecke elektrifiziert wird.
Ich kann zwar Ökostrom kaufen, allerdings ist das nur ein Zertifikatehandel. Ich bekomme physikalisch immer den Strommix aus Deutschland. Und solange wir dreckige Kraftwerke betreiben müssen, um den Bedarf zu decken, kann ich wenig machen. Und als Mieter kann ich die Ölheizung auch nicht durch eine Wärmepumpe ersetzen. Selbst wenn, sie würde dann (zum Teil) mit Kohlekraft betrieben werden und weiter CO₂ erzeugen.
Wichtig ist also, dass die Politik hier systemische Änderungen macht. Und gleichzeitig muss die Bevölkerung mitziehen. Die Politik muss Lösungen anbieten, die den Übergang sinnvoll machbar werden lassen. Förderung von Wärmepumpen und Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht ein klimaneutrales Heizen. Gleichzeitig kann die Bevölkerung von 20 °C auf 19 °C reduzieren.
Es ist also etwas dran, dass die Anderen auch etwas tun müssen. Das Umfeld muss sich verändern, damit die Umstiegskosten nicht mehr so hoch sind. Es ist verständlich, dass man nicht in jedem Aspekt ganz vorne mit dabei sein muss. Die Politik muss auch dafür sorgen, dass man mitschwimmen kann und sich dabei trotzdem die CO₂-Menge reduziert. Niemand kann sich aber total verweigern. Oder zumindest nicht zu viele Leute. Es ist vollkommen okay wenn einige vor der Welle sind, und andere hinter der Welle sind. Es gibt ja auch mehr als eine Welle. Wichtig ist nur, dass die Welle hinreichend schnell weitergeht. Dazu braucht es genug, die vorne mitmachen. Aber es ist auch okay, wenn manche Leute eher hinten auf der Welle mitschwimmen, solange sie mit der Welle mitkommen.