Der Markt zwischen den Firmen
Als Verbraucher nimmt man nur den Verbrauchermarkt wahr. Dabei ist der Markt für Geschäftskunden so viel größer. Das ist mir aber erst in letzter Zeit aufgefallen.
Wenn ich alles Privatperson auf mein Konto schaue, kommt da ein recht großer Posten mit Gehalt rein. Dann gehen ganz viele kleine Dinge ab: Miete, essen, Versicherungen. Schaut man sich das so an, kann man sich als Verbraucher als Mittelpunkt fühlen. Und irgendwo stimmt es ja auch. Am Ende muss jedes Produkt von Verbrauchern bezahlt werden.
Schaut man sich die größten Firmen der Welt an, so sind das Apple, Google, Facebook, Microsoft, Amazon, TSMC. Das sind ja offensichtlich alles Firmen, die an Privatkunden verkaufen. Apple iPhone haben viele, oder Android von Google und geben Geld in Play Store aus. Bei Facebook sind Privatpersonen. Microsoft Windows nutzt man Zuhause, kauft bei Amazon.
TSMC fertigt sehr viele Chips, die dann am Ende auch bei Verbrauchern landen. Nicht direkt, aber über Nvidia dann noch.
Je länger ich aber in der Industrie arbeite, desto mehr verschiebt sich das Bild. Vor allem, weil viele Firmen am liebsten an andere Firmen verkaufen. Aber Moment, woher haben die eigentlich das Geld? Das kann sich doch nicht einfach alles im Kreis drehen?
Doch, schon. Es ist als Verbraucher sehr merkwürdig, aber das entscheidende ist gar nicht, wie viel Geld man sammelt. Der Fluss von Geld ist interessant. Als Verbraucher bekommst man einmal im Monat sein Gehalt und kann das dann ausgeben. Mehr Fluss geht nicht einfach. Bei einer Firma ist es anders, die kann mehr Aufträge machen oder mehr Produkte verkaufen. Das Wachstum kann sehr schnell gehen.
Es gibt so eine Parabel, die das erklärt. In einem Dorf haben alle Schulden. Der Hotellier beim Metzger, dieser beim Bauern, und der Bauer beim Hotelier. Nun kommt ein Reisender und schaut sich ein Zimmer im Hotel an, macht eine Anzahlung von 100 EUR. Der Hotelier nimmt das Geld, bezahlt damit seine Schulden beim Metzger. Der bezahlt damit den Bauern. Der bezahlt seine Schulden beim Hotelier. Das Geld ist wieder am gleichen Ort. Der Reisende nimmt das Zimmer nicht, nimmt sein Geld wieder mit. Aber trotzdem sind jetzt alle schuldenfrei. Es wurden dreimal 100 EUR Umsatz generiert, das BIP ist um 300 EUR gestiegen. Die Menge an Geld hat sich aber bei niemandem verändert.
Firmen können sich letztlich einfach im Kreis Aufträge geben. Firma A gibt Firma B 100 EUR, um irgendwas zu tun. Und dann kauft Firma B von Firma A Dienstleistungen im Wert von 100 EUR. Letztlich können die das immer weiter machen, allerdings müssen sie auch ihr Personal bezahlen.
Hyperscaler wie Google nehmen pro Mitarbeiter ungefähr eine Million USD/Jahr ein. Das ist deutlich mehr als das, was sie als Gehalt auszahlen. Nehmen wir einmal an, dass so eine Firma vielleicht 20 % der Einnahmen an Gehalt auszahlen kann. Das bedeutet dann, dass sie 80 % des Geldes an andere Firmen geben kann! Und somit bleibt also viel mehr Geld zwischen den Firmen, als zu den Verbrauchern geht.
Zusätzlich gibt es Firmen, die Vorprodukte anbieten. Wenn eine Firma also Rohstahl kauft, daraus etwas macht und das etwas teurer weiterverkauft, dann hat man zweimal viel Geld verschoben. Man kann das jetzt etwas zuspitzen und sich vorstellen, dass das Vorprodukt nach jedem einzelnen Arbeitsschritt an die nächste Firma verkauft wird. Es werden enorme Summen umgesetzt, aber das Geld bleibt weiterhin bei den Firmen. Nur 20 % werden an die Verbraucher ausgezahlt.
Letztlich gibt es nur wenige Firmen, mit denen wir als Verbraucher wirklich zu tun haben. Apple verkauft Endgeräte an Privatkunden, allerdings verkaufen sie wahrscheinlich sogar noch mehr Firmenlaptops und -handys. Viele Leute haben ein iPhone als Diensthandy, privat aber etwas günstiges. Facebook sammelt letztlich kein Geld von Privatkunden ein, die verkaufen Werbung anderer Firmen, sind somit also auch eine Firma die hauptsächlich an Geschäftskunden verkauft. Ebenso Google, die verkaufen auch Werbung und Cloud-Produkte. Die paar Privatanwender sind ein Beifang. Microsoft verkauft ebenfalls vor allem Geschäftssoftware, Privatanwender sind eher Betatester von Windows. Das hat man mit Windows 8 ja gut gemerkt und den Zwangs-Feature-Updates bei Windows 10 ebenfalls. Die Liste kann man so fortsetzen.
Es gibt nur wenige Firmen, zum Beispiel Amazon oder die großen Discounter, die wirklich primär an Privatkunden verkaufen. Die haben das dann total effizient organisiert und sammeln das Geld der Verbraucher wieder ein und verteilen es an die ganzen Firmen, die ihre Produkte alle an Amazon verkaufen.
In meiner neuen Perspektive findet »die Wirtschaft« also vor allem zwischen Firmen statt. Dort werden die wirklich großen Summen bewegt. Die Verbraucher bekommen zwar auch Geld und geben es aus, das ist aber nicht das, was die wirklich großen Firmen antreibt.