»Den Autofahrern ist es noch nicht genug Fahrradinfrastruktur«
Beim Radentscheid sagte jemand neulich: »Den Autofahrern ist es noch nicht genug Fahrradinfrastruktur«. Das fand ich einen interessanten Ansatz.
Aktuell kocht in Bonn viel hoch, die Stadtverwaltung hat ein Fahrradstraßenkonzept beschlossen. Damit diese aber auch entsprechend den Regelwerken ausgestaltet werden können mit 4 m Fahrbahnbreite und 50 cm Sicherheitsabstand zu geparkten Autos, müssen in vielen Straßen Parkplätze wegfallen. Da wehren sich viele Leute gegen, insbesondere in der konservativen Lokalpresse ist es ein Dauerthema.
Vor diesem Hintergrund ist es merkwürdig davon zu sprechen, dass eben die Leute im Auto gerne mehr Fahrradinfrastruktur haben wollen, wo sie doch dem Auto den Platz wegnimmt. Letztlich ist aber die Frage, wer die Fahrradinfrastruktur eigentlich haben will. Ich als Vielradfahrer möchte die gerne haben, damit Radfahren angenehmer wird. Aber ich fahre ja auch jetzt schon, obwohl es davon noch nicht so viel gibt. Derjenige, von dem der Ausspruch stammt, überspitzte es auch noch weiter: »Wir [vom Radentscheid] sind doch so überzeugt vom Radfahren, wir würden doch auch fahren, wenn sie alle Radwege abbauen würden. Wir würden doch auch fahren, wenn sie es verbieten würden.« Dahinter steckt die tiefe innere Überzeugung mit dem Fahrrad fahren zu wollen. Und somit ist es dann letztlich egal, wie die äußeren Umstände sind.
Wirklich interessant wird Fahrradinfrastruktur aber für jene Leute, die diese Überzeugung nicht haben. Wenn keine tiefe Begeisterung da ist, sondern die Leute einfach nur an ihr Ziel kommen wollen. Diese Leute identifizieren sich in der Regel auch nicht als Radfahrer*in, sondern einfach nur als Mensch mit Mobilitätsbedürfnis. Gerade in den Niederlanden fahren zwar ganz viele Leute mit dem Fahrrad, stützen aber nicht ihre Identität darauf. Ähnlich wie viele in Deutschland mit dem Auto fahren, sich aber auch nicht primär als Autofahrer*in sehen.
Für diese Leute ist eine bessere Infrastruktur relevant, weil sie besonders empfindlich auf die äußeren Rahmenbedingungen sind. Macht man Autofahren schwerer und Fahrradfahren einfacher, so werden sie das dann auch eher tun. So schreibt Tanya Reilly in einem anderen Kontext, aber trotzdem zutreffend:
Once again, the key to convincing other people to do something is to make the thing easy to do.1
Und genau dafür braucht es gute Fahrradinfrastruktur sowie einen attraktiven Nahverkehr. Das lockt die Leute in den Umweltverbund und ermuntert sie ihr Auto stehen zu lassen.
Dazu passt auch folgender Comic von Ryan Martinson, Nutzung mit freundlicher Erlaubnis:
Vielleicht ist das eine vorgeschobene Selbstlosigkeit. Allerdings erscheint es mir eben auch zutreffend, dass die Fahrradinfrastruktur eben nicht für die stärksten Leute nötig ist. Und auch für jene Leute möchte ich mich einsetzen und ihnen eine sichere Umgebung für selbstbestimmte Mobilität mitgestalten.
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Reilly, T. The Staff Engineer’s Path: A Guide For Individual Contributors Navigating Growth and Change. (O’Reilly, 2022). ↩