Das Autonormative Weltbild
In unserer Gesellschaft sind gewisse Dinge normal, alles andere eine Abweichung von der Norm. Und so nehme ich ein »autonormatives Weltbild« wahr.
Schaut man bei irgendwelchen Veranstaltungsorten auf die Anreisemöglichkeiten, so wird häufig das Auto zuerst genannt. Auch dass es »kostenlose Parkplätze« gibt. Damit sind natürlich immer KFZ-Stellplätze gemeint, nicht etwa Fahrradabstellanlagen. Die gibt es häufig nicht, auch nicht gegen Geld.
Bezahlt man an der Rezeption eines Hotels, wird man mitunter gefragt, »wo stehen Sie?«. Das ist natürlich keine kindische Frage, gemeint ist implizit das Auto.
Auch im alltäglichen Sprachgebrauch findet man immer wieder Begriffe, in denen das Auto fest drin steckt. Besonders albern finde ich die Daten- und Stromautobahnen. Weder Daten noch Strom werden über primär über Autobahnen übertragen. Man kann natürlich einen LKW mit Festplatten oder Akkus vollladen, wir haben allerdings effizientere Methoden: Glasfaser- bzw. Stromkabel. Weil aber diese Leitungen besonders viel Durchsatz versprechen, möchte man ihnen irgendwie ein superlatives Wort geben. Und das ist nun einmal »Autobahn«. Wie absurd das ist merkt man, wenn man mal »Datenradschnellweg« ausprobiert. Man fragt sich, »hä, was hat ein Radweg mit Daten zu tun?«. In der autonormativen Sprechweise ist die »Datenautobahn« aber ganz normal.
Ähnlich zucke ich zusammen, wenn ich »Fahrradlenkrad« höre. Für mich ist eine der ausgezeichneten Eigenschaftes eines Rades, dass es rund ist. Ein Autolenkrad ist rund, das passt. Aber ein Fahrradlenker ist dann doch eher nicht run. Es ist halt ein Lenker und kein Lenkrad. Es erfüllt natürlich einen ähnlichen Zweck, das Lenken.
Interessant wird es auch bei »Straße«. Das bezeichnet eigentlich den ganzen Raum zwischen den Häusern. Viele Leute nutzen es aber auch für die Fahrbahn. Und damit ist dann sprachlich der Geh- oder Radweg nicht mehr Teil der Straße. Und die »Straße« ist dann auch nur für die Autos da. Dabei ist die Fahrbahn für Fahrzeuge, Fahrräder sind Fahrzeuge. Somit ist das kein exklusiver Ort für Autoverkehr.
Fragt man nach einer Entfernung, so nennen viele Leute eine Zeit. Bei einer Entfernung von 40 km sagen sie »ungefähr 40 Minuten. Das impliziert dann eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h. Mit dem Fahrrad ist das nicht machbar. Mit der Bahn bei meinem Beispiel auch nicht, da sind schon 90 Minuten fällig. Viel sinnvoller wäre doch eine Entfernung in einer Entfernungseinheit anzugeben. Die Frage nach der Zeit ist abhängig vom Verkehrsmittel. Da muss man aber nicht nachfragen, wenn man immer das Auto annimmt.
Es gibt sicher noch mehr Beispiele, bei denen das Auto das Denken dominiert und keinen Platz mehr für andere Verkehrsmittel lässt.