Bonner Raddialog

Seit Dienstag oder Mittwoch läuft der Bonner Raddialog (Webseite). Man kann dort auf einer Karte Stellen eintragen, an denen es bezüglich der Fahrradtauglichkeit noch Verbesserungsbedarf gibt. Jetzt gerade (2017-09-16 16:16:58 +0200) gibt es 425 Einträge, 70 davon habe ich eingetragen.

Letztlich ist das eine wunderbare Idee, das Feedback der Radfahrer in Bonn zu bekommen. Denn schließlich wissen die Radfahrer ja am besten, was sie stört. Ich begrüße es, dass die Stadt hier auf die Bürger zukommt und wissen möchte, was stört.

Viele der Einträge habe ich gelesen und es gibt einige Trends, die sich dabei herauskristallisieren. Ich hoffe, dass diese Dinge in der Stadt am Ende in ein Gesamtkonzept übersetzt werden. Leider könnte es am Ende auch so sein, dass die bezahlbaren Vorschläge umgesetzt werden, es aber keine grundsätzliche Änderung in der Stadtplanung gibt.

Probleme der Webseite

Die Webseite ist eigentlich schön gemacht, man kann ziemlich einfach neue Einträge einreichen. Aber zwei Dinge stören mich dann doch.

Benachrichtigung

Es gibt keine Benachrichtigungsfunktion, die einem bei neuen Kommentaren zu eigenen Einreichungen eine Email schickt. Man bekommt auch keine Übersicht mit neuen Diskussionsbeiträgen. Einzig in der Liste aller eigenen Einreichungen kann man die Anzahl der Kommentare sehen und wie viele davon neu sind. Jedoch funktioniert das nicht so richtig gut, manche Kommentare sind noch immer als »neu« angezeigt, auch wenn ich sie schon mehrfach gelesen habe.

Seitens der Moderation wurde mir gesagt, dass diese Funktion auch nicht mehr zu bekommen ist. Der Punkt wurde zwar an den Betreiber der Seite weitergeleitet, aber ich bezweifle, dass da jetzt noch was bei herumkommt.

Das ist schade, inzwischen habe ich echt den Überblick verloren, wo diskutiert wird.

Mehrfache Einträge

Es gibt zwei Karten:

  1. Eine Übersichtskarte, die alle Eintragungen anzeigt. Dort kann man navigieren und anschauen, was schon eingereicht ist.
  2. Die Karte zur Ortsauswahl für einen neuen Eintrag. Hier sieht man andere Eintragungen aber nicht.

Das Problem ist, dass jetzt viele Leute einfach einen neuen Eintrag einreichen, dort nichts vorfinden, und letztlich das gleiche Problem wie schon andere Nutzer schildern. Dadurch wird es etwas unübersichtlich. Außerdem hat jeder Eintrag seinen eigenen Kommentarbereich, sodass die Diskussion hier in mehrere Stränge aufgeteilt wird.

Würde man auf der zweiten Karte auch alle Eintragungen sehen können, würde das Problem wohl eingedämmt. Hier muss die Moderation diverse Eintragungen zusammenlegen, damit es nicht an Mehrfacheinträgen erstickt.

Verbesserungsbedarf ohne Ortsbezug

Man kann auch keine Eintragungen machen, die keinen Ortsbezug haben. Einige meiner Eintragungen wurde dann dem Rathaus zugeordnet. Das wissen die anderen Leute aber nicht. So wurde meine Einreichung zum Fehlern einer brauchbaren Überquerung der Bahn in der Nähe des Hauptbahnhofs zum Rathaus verschoben. Nun gibt es eine Handvoll anderer Einträge, die am HBF, am ZOB, oder am Kaiserplatz angebracht sind.

Überquerung der Bahn

Die Überquerung der Bahn ist in Bonn ein leidliches Thema. Für Autos gibt es da einige Möglichkeiten:

  1. Viktoriabrücke,
  2. Unterführung am ZOB,
  3. Unterführung westlich des HBF (Einbahnstraße Richtung Süden),
  4. Bahnübergang Kaiserstraße.
  5. Den Umweg über »Am Probsthof«

Die kann man zwar auch alle mit dem Fahrrad fahren, die sind aber alle nicht so toll.

  1. Die Viktoriabrücke ist durch die Sperrung für den Radverkehr zu einem Zeitfresser durch die ganzen nötigen Straßenüberquerungen geworden. Und das Signal, das dadurch gesendet wird, ist auch nicht wirklich toll, wie ich dort schrieb

    Den Umgang mit den Radfahrern im Rahmen der Baumaßnahmen auf der Viktoriabrücke empfinde ich, mit Verlaub, als Frechheit. Die Spuren mussten natürlich schmaler gemacht werden, damit die Brücke teilweise abgerissen werden kann. Dadurch können Autofahrer aber nicht mehr mit den nötigen 1,5 Metern Sicherheitsabstand überholen. Einige Autofahrer haben einfach ohne Sicherheitsabstand überholt. Wegen der Gefährdung durch die Autofahrer wurden dann die Radfahrer von der Straße verbannt. Hier hätte ich mir gewünscht, dass durch die Verkehrspolizei streng kontrolliert würde und dann entsprechend viele Strafzettel verteilt werden. Die Botschaft erscheint mir fatal: »Wenn sich der Stärke danebenbenimmt, muss der Schwächere zu seinem eigenen Schutz weichen«.

    Es gibt noch zwei weitere Einträge (hier, hier) zur Brücke, das ist momentan echt nicht lustig.

  2. Die Unterführung am ZOB ist noch okay, jedoch würde ich da gerne Richtung Kaiserplatz abbiegen können. Wenn ich zum Kaiserplatz möchte, muss ich letztlich die Thomas-Mann-Straße fahren, von dort weiter Richtung Fußgängerzone und dann mein Rad schieben. Alternativ kann ich auch noch weiter zum Cityring fahren und dann Berliner Freiheit → Oxfordstraße → Bertha-von-Suttner-Platz → Belderberg → Markt. Nach einer kompletten Umrundung bin ich dann fast da, wo ich angefangen habe. Und auf diesen Straßen ist Radfahren auch nicht spaßig, meist wegen den Problemen, die ich gleich noch anspreche.

  3. Diese Unterführung ist von der Lage her brauchbar. Jedoch ist da Kopfsteinpflaster, auf dem ich mit dem Rad nicht gerne fahre. Dann ist da noch recht viel Steigung und Straßenbahnschienen auf dem Weg dort hin. Da schiebe ich lieber an der Fußgängerunterführung am Kaiserplatz.

  4. Für den Bahnübergang in der Kaiserstraße muss man die Prinz-Albert-Straße als zusätzlichen Umweg fahren. Dort gibt es Straßenbahnschienen, also wieder mehr Unfallgefahr. Und dann parken dort Autos in der zweiten Reihe. Da fahre ich auch nicht gerne lang. Ein Bekannter ist dort auch schon mal gestürzt, das Laptop im Rucksack hat den Sturz abgefedert.

  5. Wenn ich in die Nordstadt möchte, ist der Umweg über »Am Probsthof« in der Tat netter als die Viktoriabrücke. Aber für Ziele in der Innenstadt absolut nicht brauchbar.

Parkende Autos

Ein großes Problem in der Stadt sind die ganzen parkenden Autos, siehe auch ../anspruch-auf-öffentliche-parkplätze/index. Eine Straße (inklusive Gehweg) hat nuneinmal eine feste Breite. Da muss man sich Gedanken machen, was man eigentlich dort haben möchte:

  • Gehweg
  • Radweg
  • Spuren für Autos (1, 2, ...)
  • Parkplätze
  • Grünstreifen

Mein Eindruck ist, dass die Parkplätze einfach noch so reingequetscht werden. Gerade in Wohnstraßen stehen auf beiden Seiten die Autos halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg. Dadurch wird der Gehweg schmaler, man kann nicht mehr nebeneinander gehen. Mit einem Kinderwagen wird es wohl auch nicht leichter. Gleichzeitig ist die Straße nicht mehr sauber zwei Spuren breit. Dadurch muss man den Gegenverkehr ausweichen und teilweise eben stehenbleiben und mit Schrittgeschwindigkeit das SUV durch den Engpass fahren. An besonders engen Stellen habe ich selbst als Radfahrer die Sorge, einen Außenspiegel abzubekommen und bleibe lieber stehen.

Diese parkenden Autos haben durchaus ihren Preis. Allerdings werden die Kosten eines Straßenparkers komplett externalisiert. Denn schließlich fährt der Straßenparker selbst ja gerade dann nicht, wenn sein Auto steht. Und den einzigen Weg, den er auf dem Gehweg zurücklegt, ist vom Auto zur Wohnung. Alle anderen hingegen müssen wegen dem parkenden Auto kurz abbremsen und danach wieder beschleunigen. Das erzeugt zusätzliche Abgase, insbesondere wenn heißblütige Leute die Wartezeit durch schnelles Beschleunigen wieder wettmachen wollen. Für die Anwohner also auch wieder Schaden.

Vielleicht würde das die Denkweise ändern: Parkt man wild, so muss man an jeden, dem man damit im Weg steht, 10 Cent geben. Gerade wenn jemand auf einer Hauptstraße den »Schutzstreifen« für Radfahrer zuparkt, kommt da ein stattliches Sümmchen zusammen. Andererseits könnte ich auf meinem Weg zur Uni jeden Morgen wohl einige Duzend Fälle identifizieren und würde somit einen EUR pro Kilometer einnehmen. Fände ich lustig.

»Schutzstreifen« für Radfahrer

Dann gibt es noch diese »Schutzstreifen«, also diese gestrichelten Linien, die man als Autofahrer nur im Sonderfall befahren darf. Klingt eigentlich nach einer tollen Sache: Die Autos fahren eher Mittig auf der Straße, am Rand ist automatisch Platz für Radfahrer. Selbst wenn ein Autofahrer unachtsam ist, wird ein übersehener Radfahrer nicht überfahren.

Das ganze hat aber einen bitteren Beigeschmack. Autofahrer gehen davon aus, dass das der Radweg ist. Somit unterteilt die gestrichelte Linie für sie die Straße in »Meins« und »Deins«. Die Konsequenz ist jetzt, dass man als Radfahrer an genau der gestrichelten Linie überholt wird. Die StVO sagt allerdings, dass man 1,5 Meter Abstand zu einem Fahrradfahrer halten muss, wenn man ihn überholt. Wenn die Linie nicht anwesend ist, klappt das so einigermaßen. Sobald die Linie aber da ist, wird der Abstand geringer.

In Kombination mit den Türen wird es jetzt ziemlich ekelhaft.

Als Radfahrer hat man wenig Chancen gegen eine sich öffnende Autotür. Von daher würde ich da eigentlich Abstand zu halten. So auch auf der Seite zum Rechtsfahrgebot des ADFC beschrieben. Nun gibt es in Bonn aber sehr viele »Schutzstreifen«, die direkt neben parkenden Autos aufgemalt sind:

Ich möchte jetzt mindestens einen Meter Abstand zu den parkenden Autos haben. Dann möchte ich aber weiterhin mit 1,5 Metern Abstand überholt werden. Damit ist die Breite der Spur aber ausgeschöpft, die Autos müssen jetzt wirklich auf die Gegenseite, um zu überholen. Letztlich mussten sie das die ganze Zeit, durch die gestrichelte Linie wurde aber suggeriert, dass es auch ohne Spurwechsel geht.

Jemand schrieb im Raddialog, dass diese Radstreifen so tun, als wäre Radverkehr, parkende Autos und fließender Autoverkehr alles unter einen Hut zu bekommen. Aber das ist eben nicht der Fall! Das trifft es wirklich. Würde man die Autos entfernen und eine ganze Fahrradspur einführen, kann man hier problemlos fahren und mit genügend Abstand überholt werden. Aber nein, die armen Anwohner brauchen ja kostenlose Parkplätze.

Der Kaiser-Karl-Ring war mal zweispurig auf jeder Seite, jetzt wurde eine Spur in eine Parkspur und einen Schutzstreifen umgewandelt. Somit fährt man als Radfahrer zwischen den Autos. Hier hätte man auch eine reine Fahrradspur machen können. Parkplätze gab es vorher auch schon keine, das kann also kein Grund sein. Die Oxfordstraße ist momentan auch zweispurig, mit schmalem »Schutzstreifen«. Im Raddialog wurde vorgeschlagen, hier doch eine Spur zur Fahrradspur auszubauen. Das wäre grandios, so könnte man einmal quer durch die Stadt Richtung Beuel und hätte da eine ganze Spur nur für sich, ohne parkende Autos, ohne knappe Überholmanöver.

Falls das gemacht werden sollte, kommen da sicher auch Parkplätze hin. Und dann ist der Schutzstreifen wieder direkt neben den parkenden Autos.

Unterbrechung der Fahrradstraßen

Dann haben wir Fahrradstraßen, die ich aber eher als »Autoparkstraßen« wahrnehme. In der Ellerstraße stehen auf beiden Seiten Unmengen Autos, in der Nassestraße auf einer Seite Autos. Durch die Nassestraße fahren regelmäßig Leute, die die als Abkürzung nutzen.

Das Problem ist auch, dass die Fahrradstraßen nur so verteilt sind, und nicht wirklich ein zusammenhängendes Netz bilden. Somit ist der Fahrradverkehr nur zweitrangig und man muss ständig wieder auf normalen Straßen fahren. Kann man so machen, nur dann soll mir bitte keiner wegen »Fahrradstadt« kommen. Man kann nicht gleichzeitig »Fahrradstadt« sein und nirgendwo das Autofahren unattraktiv machen.

Zu wenige Kontrollen

Würde man die ganzen »nur mal kurz zum Bäcker«-Parker und diverse andere Ordnungswidrigkeiten deutlich konsequenter ahnden, würden diese wohl weniger oft vorkommen. Ich verstehe auch nicht, warum hier so viel Geld auf der Straße liegengelassen wird, das Ordnungsamt sollte doch locker die Kosten hier wieder reinbekommen.

Auch würde ich mich sehr freuen, wenn Autofahrer Strafzettel für knappes Überholen bekommen würden. In der Fahrschule durfte ich nie einen Radfahrer knapp überholen, auch wenn man dann eine halbe Minute auf eine Lücke im Gegenverkehr warten muss. So ist das eben, wenn man mit einem zwei Tonnen schweren Gefährt in der Stadt unterwegs ist.

Grundsätzliches Umdenken

Bei der Planung zur neuen Südüberbauung beim Hauptbahnhof gab es wohl auch jede Menge Diskussionen um den Radweg, da sollte wieder gespart werden. Ich bin mal gespannt, was da am Ende herauskommt.

So, wie die Stadt momentan aussieht, scheint die Priorität aber ganz klar auf dem Auto zu liegen. Es muss ziemlich viel passieren, damit ich als Radfahrer nicht die ganze Zeit Angst um meine Unversehrtheit haben muss und ich gerne in der Stadt Fahrrad fahre. Das mit der Fahrradstadt glaube ich erst, wenn ich es sehe.