Autozwang im Alter

Mobilitätsaktivistin Katja Diehl schreib auf Twitter:

Wir Leben in einem Land, in dem Menschen, die nicht fahrtüchtig sind, ins Auto gezwungen werden, weil es keine Alternativen gibt.

Den Gedanken möchte ich gerne ein bisschen ausführen. Schaut man sich die Unfallstatistik an, so gibt es mehr Unfälle, bei denen ältere Fahrzeuglenkende die Hauptversuchsachende sind, als jüngere. Das muss man natürlich sehr vorsichtig gegen die Fahrleistung normieren. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Fahrleistung im Alter nicht zunimmt. Dann muss man es noch gegen die Altersverteilung in der Bevölkerung normieren.

Letztlich bleibt aber die sehr wahrscheinlich zutreffende Intuition, dass jeder im Alter weniger sicher Auto fährt. Die Reaktionszeiten steigen, die Beweglichkeit und Kraft sinkt. Das ist natürlich ganz individuell, und man kann nicht direkt eine Altersgrenze festlegen, ab der man nicht mehr fahrtüchtig ist.

Angenommen, wir würden regelmäßige Tests der Fahrtauglichkeit einführen. Bei Autos wird das auch gemacht, nach drei Jahren müssen sie alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung. Analog könnte man ab einem gewissen Alter regelmäßige Tests machen, die schauen ob man körperlich und geistig noch fit genug ist. Diese Tests würden dann wahrscheinlich einigen Leuten die Fahrerlaubnis kosten, sie könnten ab dann nicht mehr mit dem Auto fahren. Und dann?

Wenn wir wahrlich multimodal aufgestellt wären, man zwischen gleichberechtigten Verkehrsmitteln auswählen könnte, wäre das nicht so schlimm. Von meiner Wohnung in Endenich zur Uni in Poppelsdorf waren es 2,3 km. Die konnte ich gut mit dem Fahrrad oder Bus fahren, zu Fuß gehen geht auch noch. Mit dem Auto hätte man das natürlich auch machen können, Parken wäre nur schwer gewesen. Wenn eine der Möglichkeiten wegfällt, blieben noch andere.

Da man mit dem Auto aber die Möglichkeit hat an Orte zu ziehen, an denen es keine Nahversorgung (mehr) gibt, kann man sich so vom Auto abhängig machen. Dort gibt es dann im Nachbarort vielleicht einen Bus, der am Wochenende alle zwei Stunden fährt. Dass man da lieber mit dem Auto fährt, kann ich nachvollziehen.

Und wenn man dort wohnt, ein Haus gebaut hat, und immer mit dem Auto gefahren ist, dann ist es nur schwer verständlich, wenn das plötzlich nicht mehr gehen soll. Die Fahrtüchtigkeit nimmt stetig ab, aber der Verlust der Fahrerlaubnis ist plötzlich. Man möchte diesen Punkt möglichst weit hinauszögern. Also fährt man so lange es nur irgendwie geht mit dem Auto.

Aber gerade weil alle mit dem Auto fahren, ist die Nachfrage für den Bus gar nicht so hoch. Der Bus ist unattraktiv, die Leute hängen weiter am Auto. Aber was wäre, wenn die Leute durch regelmäßige Tests viel früher die Fahrerlaubnis verlieren würden? Würde dann die Nachfrage für den Bus steigen? Würde sich dann eine dichtere Taktung des Busses lohnen?

Ich könnte mir vorstellen, dass wenn die älteren Leute, die aktuell vehement ihre Fahrtüchtigkeit verteidigen, mit ähnlicher Vehemenz für ein bessere Busanbindung kämpfen würden, die Taktung und Abdeckung der Buslinien steigen könnte. Mir fehlen leider die Zahlen, um diese These quantitativ zu evaluieren. Daher bleibt es nur ein Gedankenexperiment mit viel Unsicherheit.