Autofahrt ins Ruhrgebiet
Wir sind ins Ruhrgebiet gefahren, um Familie zu besuchen. Dabei haben wir das Auto genommen, weil eine Person schlecht zu Fuß ist. Damit sind Busse und Bahnen dann leider raus, dort gibt es viele Treppen und Stufen, barrierefrei ist es häufig nicht. Und selbst wenn alle Aufzüge funktionieren, bleibt eine beachtliche Strecke übrig.
Die Strecke über A 59, A 3 und A 2 war mit 99 km berechnet und mit knapp 1:30 Stunden durch Google Maps abgeschätzt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wären es, inklusive Fußwege, ziemlich genau drei Stunden gewesen. Bei der Bahn spricht man von Verspätung und regt sich auf. Mit dem Auto nimmt man irgendwie an, dass es so passt, und wundert sich über Verzögerungen. Oder rechnet einen Puffer ein, aber bei der Bahn nicht.
Gefahren bin ich, weil ich, wenn ich schon im Auto fahre, dann am liebsten selbst fahre. Auf dem Hinweg hatten wir Stau bei Köln-Porz, bei Duisburg, bei Essen. Und immer so die schlimmste Sorte, stop and go. Mit Schaltgetriebe eine ungewohnte Belastung für mein linkes Bein. Auch ist es kognitiv fordernd, weil es zum einen extrem öde ist, jedoch man sich auch konzentrieren muss. Im Stau standen immer wieder Autos aus dem Seitenstreifen, da gab es kleine Auffahrunfälle. Die Leute waren teilweise sehr fahrlässig, standen ohne Warnweste auf dieser Seite der Leitplanke. Einer stand sogar am linken Rand des Standstreifens, während dort der Verkehr wieder mit 80 km/h fuhr. Ab 50 km/h sind die meisten Unfälle tödlich, ich wäre ja hinter die Leitplanke gegangen.
Auch dazwischen, wenn es lief, war es anstrengend. Da nicht alle die gleiche Geschwindigkeit fahren, sind viele Fahrstreifenwechsel erforderlich, um grob 120 km/h zu halten. Das wird erschwert durch Personen, diese links deutlich schneller fahren, Personen mit 100 km/h auf dem mittleren Fahrstreifen. Geht alles, aber kostet einfach eine Art von Konzentration, die bei mir nicht unbewusst funktioniert. Dazu kommen brenzlige Manöver, weil Leute regelmäßig in meinem Sicherheitsabstand ziehen. Ich weigere mich aber auch, näher aufzufahren, ich möchte diesen Puffer haben. Zu allem kommt noch das monotone Geräusch der Reifen. Das ist auch krass, wie mühsam das ist.
Für die Rückfahrt haben wir dann 2:30 Stunden gebraucht, also noch länger als für die Hinfahrt. Mir tat irgendwann der Hintern weh. Und man kann im Auto ja auch nicht einfach aufstehen und sich die Beine vertreten. Auch wenn man auf Toilette muss, kann man nicht wenigstens auf eine teils besudelte Zugtoilette gehen, sondern muss auf dem nächsten Rastplatz warten. Dort gibt es auf Parkplätzen gruselige Toiletten, an Raststätten immerhin akzeptable Toiletten zum Bezahlen. Steht man aber im Stau, muss man einhalten oder aber gefährlich auf dem Standstreifen halten. Als Mann habe ich generell wenig Probleme mit dreckigen Toiletten, sodass ich die höhere Verfügbarkeit im Zug deutlich angenehmer finde.
Abends habe ich gemerkt, dass ich kognitiv erschöpft bin; meine Augen waren auch sehr müde. Aus Erfahrung von früher weiß ich, dass Autofahren mit der Zeit weniger anstrengend wird. Ein Teil der Prozesse läuft dann unbewusst und automatisch ab. Aber dahin möchte ich nicht unbedingt wieder kommen, ich fahre lieber mit der Bahn oder dem Fahrrad. Nach Köln ins Büro fahre ich eine ähnliche Zeit, zwei Stunden hin, zweieinhalb Stunden zurück. Aber dann bin ich körperlich gefordert, geistig aber frei. Ich habe viel Natur gesehen, fühle mich nach der Hinfahrt energetisiert und voller Endorphine.
Ich kann echt nicht verstehen, wie man das freiwillig macht. Und damit sind wir dann bei der zentralen Frage aus »Autokorrektur«1: Willst, oder musst du Auto fahren?. Und das war bei mir ein klares Müssen, kein Wollen. Ich denke, dass es anderen Leuten ähnlich geht. Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Nähe von Arbeitsplatz oder zumindest öffentlichem Verkehr, Barrierefreiheit, Taktdichte. Da ist noch viel zu tun. Ich werde aber versuchen das Müssen möglichst zu vermeiden, solange ich das kann.
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Diehl, K. Autokorrektur: Mobilität für eine lebenswerte Welt. (2022). ↩