Auslandsjahr während oder nach Schulzeit

Das 11. Schuljahr habe ich als Austauschschüler in den USA verbracht. Da habe ich viel gelernt, rückblickend erscheint mir ein Work & Travel nach der Schulzeit aber etwas sinnvoller.

Die Aufregung war sehr groß, als ich damals mit 16 Jahren für ein ganzes Jahr meine Heimat verlassen habe und zu einer bis dahin fremden Gastfamilie in die USA geflogen bin. Zwar hatte man telefoniert und das Gefühl da bei guten Leuten zu sein; Sicherheit darüber hatte man natürlich noch keine. Und ich war davor immer maximal zwei oder drei Wochen alleine verreist, das war also schon durchaus etwas sehr neues.

Das wirklich wichtigste, was ich von diesem Jahr mitgenommen habe, war die Englische Sprache. Wenn auch mit einem etwas ländlichen Akzent, so habe ich kein Problem oder Hemmungen in Englisch zu kommunizieren. Das war vor allem im Masterstudium und der Promotion sehr viel wert. Aktuell brauche ich es im Job nicht jeden Tag, aber es ist schön das zu können. Mir stehen auch so viele zusätzliche Informationsquellen offen. Das möchte ich nicht missen. Weil ich während der Schulzeit dort war, konnte ich im 12. und 13. Schuljahr dann auch im Englischunterricht profitieren und hatte dann mit eher wenig Vorbereitung eine 1,3 in der mündlichen Abiturprüfung in Englisch als viertes Fach. Das war schon nett.

Allerdings gab es auch einfach aufgrund meines Alters noch Probleme. Ich war schlicht nicht volljährig, hatte keinen Führerschein und war generell nicht geschäftsfähig. In den USA ist die Altersgrenze auch 21 und nicht 18, aber mit 16 und am Ende 17 Jahren war ich da so oder so drunter. Das hatte dann diverse Konsequenzen. Die wirklich schmerzlichste war, dass ich mich nicht selbstbestimmt bewegen konnte. Ich hatte kein Auto und war der älteste Teenager im Schulbus. Alle anderen in meiner Altersgruppe hatten ein Auto und wollten mich nicht herumfahren. Somit war ich dann doch ziemlich abgeschnitten. Meine Gastfamilie versuchte ihr Bestes mit mir Dinge zu unternehmen und deren Familie und Freunde zu treffen, dafür bin ich der Familie auch dankbar. Es konnte aber trotzdem nicht den Kontakt zu Gleichaltrigen ersetzen, und so fühlte ich mich doch recht einsam.

Freunde von mir hatten mehr Glück mit der Gegend, in der sie in ihrem Auslandsjahr gekommen sind. Sie waren in der Nähe von größeren Städten wie Los Angeles oder Vancouver und konnten sich so mit den Bussen daher etwas autonomer bewegen. Teilweise scheiterte es dann aber trotzdem wieder an Aufsichtspflicht.

Nach der Schule wurde ich relativ zügig zum Zivildienst eingezogen. Danach machte ich ein Praktikum am DLR, habe Freunde in Hamburg, Göttingen und München besucht, besuchte CERN. Ich habe also noch ein paar Dinge machen können, bevor ich dann studiert habe. Dabei war es toll schon volljährig zu sein und einen Führerschein zu haben. So konnte ich zum Beispiel nach Göttingen und München mit dem Auto fahren (würde ich heute wohl anders machen). Jedenfalls konnte ich auch ganz alleine zum CERN fliegen. Das hatte schon etwas, was mein Auslandsjahr in den USA nicht hatte: Selbstbestimmte Mobilität.

Im Studium lernte ich dann Leute kennen, die anstelle eines Auslandsjahres während der Schulzeit ein Jahr Work & Travel nach der Schule gemacht hatten. Sie sprachen auch gutes Englisch durch das Jahr, was meist in Neuseeland verbracht worden war. Dort waren sie aber volljährig und konnten diverse Dinge unternehmen. Sie sind selbstbestimmt in den Gegenden unterwegs gewesen, haben mal hier und dort gearbeitet und übernachtet. In den Erzählungen klang es alles deutlich autonomer und auch weniger einsam.

Das Auslandsjahr an sich möchte ich nicht mehr hergeben und bin sehr dankbar dafür, dass mir meine Eltern das ermöglicht haben. Das verhandlungssichere Englisch war in meinem bisherigen Lebensweg überaus praktisch. Wenn ich das mit dem Wissen von heute allerdings nochmal machen würde, so würde ich wohl eher nach der Schulzeit Work & Travel machen wollen.