Absurdität Fahrradsteuer

Auf Twitter und sonst so kommt immer wieder diese Argumentation: Als Fahrradfahrer würde ich ja keine Steuern bezahlen, von daher sollte ich dankbar sein, die Straßen nutzen zu dürfen. Eigentlich sollte man schnellstens eine Fahrradsteuer einführen, damit die Fahrradfahrer*innen auch an den Kosten der Straßen beteiligt werden, wenn sie schon den Autoverkehr behindern.

Diese Position wird meist von Personen vertreten, mit denen man auch gar nicht sinnvoll diskutieren kann. Sie wollen einfach nur, dass die störenden Radfahrer*innen verschwinden. Dass sie im Auto sitzend noch mehr Platz einnehmen würden, verstehen derartige Leute dann auch nicht. Aber das ist ein anderes Thema.

Es ist ja durchaus korrekt, dass man keine spezifischen Steuern zahlen muss, um mit dem Fahrrad zu fahren. Beim Auto gibt es aber durchaus spezifische Steuern und Abgaben:

  • KFZ-Steuer
  • Versicherungssteuer auf die Haftpflichtversicherung
  • Mineralölsteuer auf den Kraftstoff
  • Bewohner-Parkausweis
  • Parktickets in Zonen mit Parkraumbewirtschaftung

Personen, die die Argumentationslinie vertreten, leiten aus diesen Abgaben einen exklusiven Anspruch vom Autoverkehr auf den öffentlichen Raum ab. Ich halte dann meist dagegen, dass ich auch Einkommenssteuer bezahlen muss. Entgegnet wird dann, dass Autofahrer*innen ja auch Einkommensteuer bezahlen. Von daher zählt das nicht.

Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten, diese Diskussion zu führen. Die erste ist, dass die Steuern und Abgaben für das Autofahren die komplette Infrastruktur bereitstellen. Wenn dem so wäre, dann profitieren die Radfahrenden wirklich von dem Geld der Autofahrenden. Dann könnte man auch darüber nachdenken, spezifische Steuern für Radfahrende zu ergeben. Machen wir das doch einmal.

Für einen Mittelklasse-Kombi zahlt man so 150 EUR/Jahr an KFZ-Steuer. Die Haftpflichtversicherung kostet vielleicht 500 EUR/Jahr. Davon sind dann 19 % Versicherungsssteuer, also so ganz grob 100 EUR/Jahr. Fährt man 15.000 km/Jahr mit 6 l/100 km, so verbrennt man 900 l Benzin. Bei 0,65 EUR/l Mineralölsteuer hat man dann so grob 600 EUR/Jahr. Der Bewohner-Parkausweis kostet so 30 EUR/Jahr. Wie viele Parktickets man dann noch lösen muss, ist schwer zu sagen. Aber wenn man das einmal die Woche macht, kommen vielleicht nochmal 100 EUR/Jahr dazu.

Wir haben also so 980 EUR/Jahr an Steuern und Abgaben, die über ein Auto eingenommen werden. Dafür bekommt man ein komplettes Straßennetz in den Städten, ein exklusives Straßennetz in Form von Autobahnen und Bundesstraßen, und öffentliche Fläche zum Parken von wahrscheinlich mindestens einem Parkplatz pro Auto. Das sind dann mehrfach 10 m² Fläche.

Wie hoch sollte also die Steuer für das Fahrrad sein?

  • Radwege sind in der Regel deutlich schlechter ausgebaut als Fahrbahnen. Sei es der Belag (Betonsteine), oder der mangelnde Wurzelschutz, Entwässerung, Reinigung oder Winterdienst. An allem wird im Vergleich zur Fahrbahn gespart, daher sind getrennte Radwege schon günstiger als entsprechende Fahrbahnen. Auch in der Breite sind sie fast nie so breit wie eine Fahrstreifen von ungefähr 325 bis 375 cm. Auch braucht ein Fahrrad deutlich weniger Platz beim Parken, auf 10 m² Fläche bekommt man mehrere Fahrräder. Man braucht aufgrund der Wendigkeit von Fahrrädern auch weniger Platz zum Rangieren.

  • An vielen Stellen gibt es aber gar keine exklusiven Radwege, der Radverkehr nutzt die Fahrbahn. Und dort sollte man wohl nach Abnutzung rechnen. Diese folgt dem Vierten-Potenz-Gesetz, Abnutzung ist proportional zur vierten Potenz der Achslast. Ein Kleinwagen mit 1000 kg Leergewicht ist um einen Faktor 11 schwerer als ich (75 kg) mit meinem Fahrrad (15 kg). Die vierte Potenz von 11 ist dann 14641. Für jede 1000 EUR Abgaben für Autos müsste man mit dem Fahrrad dann 0,07 EUR zahlen.

  • Der Anwohner-Parkausweis von 30 EUR/Jahr für ein Auto müsste sich aufgrund der Flächennutzung grob 6 EUR/Jahr reduzieren.

  • Mineralölsteuer kann man so nicht wirklich übertragen, man könnte vielleicht so 2500 kcal/100 km. Der Heizwert von Benzin liegt bei grob 29 MJ/l, bei 6 l/100 km sind das 170 MJ/100 km. In Kalorien umgerechnet sind das 700.000 kcal/100 km. Der CO₂-Ausstoß ist dann grob analog dazu. Man sieht auch hier, dass das Auto enorm viel mehr Ressourcen verbraucht, als eine Person mit Fahrrad.

Insgesamt könnte man eine Fahrradsteuer nur rechtfertigen, wenn sie deutlich geringer ausfallen würde, als die Abgaben für den Kraftverkehr. Die Kosten für die Erhebung wären wahrscheinlich schnell teurer als die Abgaben selbst. Einzig ein an Tankstellen in Fahrradläden zu erwerbendes Haftpflichtkennzeichen mit pauschaler Höhe wäre noch relativ niederschwellig machbar.

Die Prämisse war aber, dass der Autoverkehr seine Infrastruktur selbst finanziert. Es gibt so grob 50 Millionen PKW in Deutschland. Bei 1000 EUR/Jahr Steuern sind das dann 50.000.000.000 EUR/Jahr. Das klingt richtig viel. Allerdings kostet der Bau von [3,2 km A 100 jetzt schon 700.000.000 EUR]. Das ist natürlich in Berlin in einer Stadt teurer als quer durch einen Wald, jedoch haben wir da einen Autobahnabschnitt, und der kostet schon 1,4 % von meinem geschätzten Haushalt. Ohje, und wir haben ja mehr als die eine Autobahn. Der Ausbau der A 565 in Bonn kostet nochmal 417.000.000 EUR, das sind weitere 0,8 %. Es braucht also nur so 100 Neubauprojekte für Autobahnen, dann ist das Budget schon weg. Und dann gibt es noch die ganzen anderen Straßen, die ausgebaut und unterhalten werden müssen. Das reicht vorne und hinten nicht, schreibt die eher konservative FAZ.

Über den Weg, dass die Autofahrenden die ganze Infrastruktur bezahlen, schaffen wir es also nicht, eine Fahrradsteuer zu rechtfertigen. Die Gemeinschaft aller Steuerzahlenden legt also noch ordentlich drauf. Nimmt man ein mittleres Einkommen von 4000 EUR/Monat brutto, so zahlt man 7700 EUR/Jahr an Lohnsteuer. Da Steuern nicht zweckgebunden sind, werden damit auch die Straßen unterhalten. Man zahlt also mehr Steuern wegen Lohnarbeit als wegen Autonutzung. Und das zahlen Personen ohne Auto auch. Und das ist okay.

Wir haben durchaus einen Nutzen durch die Infrastruktur. Selbst wenn ich mit dem Fahrrad einkaufen gehe, hat vorher ein LKW die Ware zum Supermarkt gebracht. Dieser ist auf gute Fahrbahnen und Autobahnen angewiesen. Wenn Handwerker mit viel Ausrüstung diese mit dem Auto zu meiner Wohnung fahren und dort Arbeiten durchführen, profitiere ich davon. Und auch die Paketzusteller fahren ein KFZ, mit dem Ware zu mir kommt. Und genauso wie ich gerne mein Steuergeld zur Finanzierung von Polizei, Feuerwehr, Schulen, Kindergärten und Universitäten eingesetzt sehe, möchte ich auch ein gewisses Maß an Straßen haben.

Es mag auch eine Korrelation zwischen Erwerbstätigen, die Lohnsteuer zahlen, und autofahrenden Personen geben. Kinder und Jugendliche arbeiten in der Regel nicht, und fahren auch kein Auto. Senioren geben irgendwann das Auto auf, sie zahlen nur noch reduzierte Steuern auf ihre Renten. Da unser Land auf das Auto und auf Lohnarbeit ausgerichtet ist, trifft das eben auf die meisten Erwachsenen zu. Daraus aber einen direkten Zusammenhang zu konstruieren, ist aber ein Zirkelschluss.

Wenn wir also von einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen sprechen, der aus der Infrastruktur kommt, dann kann man darüber diskutieren, ob dieser Nutzen durch Förderung des Autofahrens gut angelegt ist. Ist es sinnvoll, für 417 Millionen EUR die A 565 zwischen Endenich und Geislar auf acht Streifen exklusiv für den Kraftverkehr auszubauen, aber keinen Radschnellweg parallel anzulegen? Ist es klug, zwei Fahrstreifen und einen Schutzstreifen zu bauen, oder sollte man besser nur einen Fahrstreifen und einen breiten Radweg anlegen?

Jene Autofahrer*innen, die die am Eingang vorgestellte Position vertreten, wollen aber gar nicht gesamtgesellschaftlich denken. Sie wollen nach dem Motto »wer zahlt, bestimmt die Musik« die anderen Verkehrsteilnehmer einfach verdrängen, um mit ihren Autos ungehindert herumfahren zu können. Dass sie die Musik aber gar nicht exklusiv bezahlen, wollen sie dann aber auch nicht hören.